
Wildschwimmen: Das neue Waldbaden
Weil es mir wiederholt begegnet, wiederhole ich mich nun auch hier. Denn es scheint sich von einem regionalen oder kulturellem Nischenphänomen zu einem dieser Gesundheits-Hypes zu entwickeln, die irgendwelche Woke-Influencer durch die sozialen Medien peitschen, bis es alle mal probiert haben, aber nur wenige dran bleiben, weil es wirklich nichts für jeden ist. Ich rede vom sogenannten Wildschwimmen.
Relativ weit gefasst, könnte man sagen, dass es um Schwimmen außerhalb eines künstlichen Pools geht. Es gibt ziemlich schwammige Grenzen bei der Definition. Manche bringen sogar die berüchtigte Ice-Bucket-Callenge und die Wim Hof Methode damit in Verbindung, denn es geht tendenziell um kaltes Wasser. Aber echtes Wildschwimmen findet, wie der Name bereits suggeriert, in natürlichen Gewässern mit einer entsprechenden Umgebung statt. Im offenen Meer, in einem Fluss oder See. Salzwasser oder Süßwasser spielt eine untergeordnete Rolle.
Wildschwimmen entwickelt sich gerade zum nassen Nachfolger des Waldbadens. Genau wie beim Shinrin-yoku werden auch dem Wildschwimmen zahlreiche positive Effekte auf die physische und psychische Gesundheit zugesprochen, und die klingen alle sehr einleuchtend. Die Wohltat, in einer natürlichen Umgebung zu sein, mit all ihren Gerüchen und Geräuschen. Der meditative Effekt. Die veränderte Atmung. Die körperschonende Bewegung. Die Massage des Wassers. Der Kältereiz, der schlagartig alles andere ausblendet. Das Verlassen der Komfortzone.
„I wasn’t afraid to die, but I was more afraid, angry if you like, I hadn’t lived, I hadn’t made the most of every opportunity. I was waiting for a day that might never come, when you retire, or when you’re thin enough, or when the kids have grown up. And there was a sudden realization that that day might never come.“
– Laura Owen Sanderson | HYDROTHERAPY
Wie gesagt, ich wiederhole mich, denn ich habe das alles schon einmal angesprochen. Bei Schweiß, Tränen oder das Meer, bei A dip a day keeps the doctor away und erst vor ein paar Tagen bei Von frustriert zu frei und hoffentlich nie zurück. Und nun bin ich auf diesen sehr ästhetischen Kurzfilm gestoßen, in dem Laura Owen Sanderson darüber spricht, wie ihr das Wildschwimmen beim Kampf gegen Fybromyalgie geholfen hat. Der Youtube-Algorithmus hat mir dann gleich noch ein paar ähnliche Clips hinterher geschickt, und der Tenor ist immer derselbe.
Wenn es die Umstände ermöglichen, bin ich im Herbst mindestens zwei Wochen an der Ostsee. Und ich habe mir fest vorgenommen, mich diesmal wirklich zu überwinden und jeden Tag ins kalte Wasser zu steigen. Ich liebe Schwimmen, Wasser war immer schon mein Element. Ich bin aber auch eine schreckliche Memme, die sich schon für eine kalte Dusche stundenlang gut zureden muss und außerdem einen Horror vor unfreiwilligem Kontakt mit Quallen und Fischen hat. Noch mehr verabscheue ich aber Chlorwasser und darin herum schwimmende Haare und Pflaster. Also ab ins Meer!
Danke für das Foto, Šárka Jonášová

