
Wake-up Call
„Kindern erzählt man Geschichten zum Einschlafen – Erwachsenen, damit sie aufwachen.“
– Jorge Bucay
Früher war die Weihnachtszeit auch die Zeit der Geschichten. Es wurde mehr vorgelesen als sonst. Beim Treffen mit der Familie wurde viel erzählt. Und im Fernsehen liefen Weihnachtsserien, an die sich jeder noch heute erinnern kann. Auch epische Mehrteiler wie Harry Potter, der Herr der Ringe, die Tribute von Panem oder Star Wars und Star Trek, laufen bevorzugt an den Weihnachtstagen oder zwischen den Jahren.
In der heutigen Zeit des Streamings haben Sendezeiten allerdings nur noch wenig Bedeutung. Und eine größere Familienzusammenkunft wird es in diesem Jahr nicht geben. Falls vorgelesen wird, dann nur den Kleinen. Dazu kommt die Unsitte, dass man einander nicht mehr richtig zuhört. Einerseits aufgrund der immer kürzer werdenden Aufmerksamkeitsspanne und andererseits, weil jeder den Kopf zum Bersten voll mit Gedanken hat, die alle laut nach Aufmerksamkeit schreien.
Dabei hat gerade in diesem Jahr garantiert jeder etwas wirklich spannendes und relevantes zu erzählen. Wenn man zu den Glücklichen gehört, die während des Lockdowns wirklich etwas Zeit übrig haben, möchte ich vorschlagen, eine individuelle, kleine Weihnachtsgeschichte für die Liebsten oder auch nur eine einzelne Person (die auch man selbst sein kann!) zu verfassen. Es muss nicht um Weihnachten gehen. Es kann auch eine Horrorstory sein. Ganz egal.
Wer nicht gerne schreibt, kann etwas mit dem Handy aufnehmen, ein Bild malen oder zeichnen. Es darf gerne zusammengeklaut oder nacherzählt sein. Es muss nicht umfangreich sein. Auch drei Sätze können reichen. Die Qualität ist ebenfalls nicht wichtig. Wenn man sich alte Märchen oder Fabeln anschaut, dann sind die teilweise grauenhaft banal und sprachlich ein Graus, aber trotzdem relevant. Es muss nur etwas persönliches beinhalten. Und ein Happy End ist Pflicht.
Was bleibt von diesem Jahr? Was hat uns nachts wach gehalten und gequält? Was hat uns Linderung gebracht? Was würden wir noch vermitteln wollen, wenn wir nur noch diese eine Gelegenheit hätten?
Danke für das Foto, Ehud Neuhaus

