True Things About Me
Weise Worte

True Things About Me

„When I got home I began to feel like a visitor, or a prospective buyer. I wandered through the rooms of my house but couldn’t see its potential. Time started to do that thing. It’s like you’re from some other dimension where each minute is an hour and a half, say, but an hour is actually a day long. You’re trying to function in your new body, with your new watch on your strange pink arm, but you just don’t fool anyone. The safest approach when this happens is to sit in one place and wait for something to occur.“
True Things About Me | Debora Kay Davies


Als der große Tom Burke-Fan, der ich bin, warte ich sehnsüchtig darauf, dass „True Things“ in die Kinos kommt. Anfang September wurde der Film endlich bei der Biennale in Venedig vorgestellt, und kurz darauf gab es auch die ersten bewegten Schnipsel online zu sehen. Als offizieller Filmstart wurde das Frühjahr ’22 genannt, und weil das immer noch ein paar Monate hin ist, habe ich mir gestern den Roman, auf dem der Film basiert, auf meinen Kindle geladen. „True Things About Me“ von Deborah Kay Davies ist relativ kurz und absolut hypnotisch. Ich habe es heute bereits ausgelesen.

Eigentlich ist es gar kein Roman, sondern eher ein Psychothriller. Eine Geschichte, wie sie sich täglich überall auf der Welt abspielt, völlig unbemerkt, vom engsten Umfeld der Protagonisten einmal abgesehen, bis eine Leiche gefunden wird. Es sind die Geschichten unbegreiflicher Abstürze vermeintlich völlig normaler Menschen, die alle gleich beginnen: Boy meets girl. Die gebildete Frau, die auf den Heiratsschwindler hereinfällt. Der Familienvater mit dem guten Job, der auf einmal auf der Straße steht. Der Musterschüler, der ins Drogenmilieu abrutscht. Das Mauerblümchen, das zur Mörderin wird. Man wundert sich, wie es so weit kommen konnte. Wie so etwas passieren konnte. Aber es passiert immer wieder.

Die Ich-Erzählerin in Deborah Kay Davies‘ Buch ist eine junge, intelligente und attraktive Frau. Introvertiert. Single. Mit einer auf baldige Enkel hoffenden Mutter. Ihr Leben ist auf diese typisch normale Art ereignislos und langweilig, aber das scheint sie nicht zu stören. Sie schlafwandelt durchs Leben, heißt es in der Synopsis der Verfilmung, und das trifft es wirklich gut.

Dann taucht auf einmal ein Fremder auf und zieht sie in seinen Bann. Eine schnelle Nummer in der Tiefgarage, für ihn völlig bedeutungslos, katapultiert die junge Frau heraus aus ihrer gewohnten Umlaufbahn der Eintönigkeit. Sie ist angefixt. Dass die Wendung, die ihr Leben nimmt, gefährlich ist, registriert sie sehr wohl. Aber genau das ist wahrscheinlich das Fatale bei allen Geschichten dieser Art: Die Probleme, der Schmerz, die Schlaflosigkeit, das alles ist immer noch so viel besser als das Leben davor. Man glaubt, man hätte wie Neo die rote Pille genommen, die einen zwar in eine brutale Wahrheit wirft, aber immerhin ist es die Wahrheit, das echte Leben, die wirkliche Realität, und nicht das Dahindämmern davor.

„True Things About Me“ wäre kein Bestseller, wenn dieses Phänomen nur ganz wenigen Menschen vertraut wäre. Ohne die Gedanken und Handlungen der immer tiefer in den Abgrund rutschenden Protagonistin wenigstens ansatzweise nachvollziehen zu können, würde man schon nach wenigen Seiten nicht mehr weiterlesen. Denn wie dumm kann eine eigentlich gar nicht dumme Frau sein? Wie unsympathisch kann eine Person mit einem so sympathischen Innenleben werden? Man hält es immer weniger aus, so wie es auch ihre Familie und ihre beste Freundin kaum noch aushalten. Wieso schießt sie diesen grässlichen Typen nicht endlich ab?

Tatsächlich finden wenige Menschen heil aus solch einem fatalen Geflecht heraus, das anfangs nur aus ein paar Hormonen und dem Reiz ungewohnter Intensität bestand, aber später durch Scham, Angst, Gewalt und Abhängigkeiten fest verfilzt wurde. Manche halten dann in ihrer Verzweiflung ein Streichholz daran oder nehmen ein Messer zu Hilfe. Ich möchte das Ende nicht spoilern. Vielleicht endet der Film auch ganz anders als das Buch. Ob es ein Happy End ist, wäre dann immer noch zu diskutieren.