Hausboot im Hafen von Kleven
Weise Worte

Reisen und Animismus

„It is better to be on a journey, than to stay put in one place.“
Sprichwort der Samen


Sicher habe ich schon mehrfach erwähnt, dass ich die Samen mag, unter anderem wegen ihrer animistischen Weltsicht. Die Weisheiten indigener Völker werden oft belächelt, weil sie ihren Ursprung mutmaßlich in einem für moderne Verhältnisse geringen Bildungsgrad haben. Aber was ist Bildung? Die Bildung eines Naturvolks ist eine andere als die eines überzivilisierten Menschen, der sich einen Haufen theoretischen Wissens angeeignet hat. Sie beruht auf feineren Sinnen, anderen Erfahrungen und altem Wissen, das die meisten verdrängt oder verloren haben. Ich würde Völker wie die Samen als Geeks oder Nerds bezeichnen. Es sind Spezialisten, und ihr Wissen mag Nischenwissen und teilweise naiv sein, aber vieles davon ist wertvoll.

Sesshaftigkeit dagegen, und ich meine hier speziell die im Kopf, ist ein unterschätztes Problem unserer Zeit und Kultur. Man klammert sich an Überzeugungen und Lebensentwürfe genau so wie an das gewohnte Umfeld, einen Arbeitsplatz und soziale Kontakte. Selbst dann, wenn man unglücklich ist und die mentale Gesundheit den Bach runter geht. Den meisten Menschen ist das vertraute Übel lieber als die vielen Chancen, die das Unbekannte bietet. Auch wenn es eigentlich nur besser werden kann. Man lebt seine eigene Blockade. Natürlich kann ich selbst auch ein Lied davon singen. (Genauso wie die Samen, wie ich hier einfügen muss.) Oft sind es völlig unbewusste Glaubenssätze oder Denkmuster, die einen immer wieder vor Probleme stellen. Und hier komme ich von der inneren Sesshaftigkeit wieder zu den äußeren Ortswechseln. Denn Reisen können in solchen Fällen wahre Wunder bewirken. Besonders dann, wenn sie in die Natur führen.

Vor ein paar Tagen sah ich Jonna Jintons neues Video. Ich mag Jonnas Youtube-Kanal, obwohl sie mir manchmal ein bisschen zu wollsockig unterwegs ist, und das Geflöte muss ich immer skippen. Aber ihre Videos sind ein Fest für die Augen und Futter für die Seele. Ihr aktuelles ist lang, fast eine Stunde, deshalb verlinke ich hier direkt an zwei Stellen:

Hier erzählt Jonna, warum sie sich auf einen Roadtrip nach Abisko (Nordschweden) begeben hat. Vor sieben Jahren war sie nämlich schon einmal dort, und damals hat die Reise ihrem Leben eine markante Wendung gegeben. Nach Jahren des mühsamen Existenzkampfes als Selbstständige in einem kreativen Beruf sollte sie für Hyundai mit einem der neuesten Modelle der Marke einen Trip ihrer Wahl unternehmen und unterwegs Bild- und Videomaterial sammeln. Das Ergebnis war für alle Beteiligten ein Durchbruch.

Und hier erklärt Jonna, warum die „Humming Mountains“ diesen Namen tragen. Ich habe so etwas wie sie auch schonmal erlebt, ebenso wie eine Bekannte am legendären Untersberg. Ich kenne auch Menschen, die wissenschaftliche Erklärungen dafür finden, ohne es selbst erlebt zu haben. Und die das auch nicht nachholen wollen.

Intelligenz und Bildung habe ich immer sehr bewundert. Heute entdecke ich da aber auch oft eine Art Lücke. Manchmal entsteht sie aus Arroganz. Und manchmal begeistern sich Menschen einfach weitaus mehr dafür, etwas zu erklären als es zu erfahren. Sie erklären alles auf Basis dessen, was sie bereits sicher wissen. Grundsätzlich richtig, aber auch hier haben wir ein Komfortzonenproblem. Deshalb finde ich Kunst (aller Sparten) so wichtig. Und das Wissen aller nicht-menschlichen Lebewesen, deren Sinne mehr wahrnehmen als wir.


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