
Ohne Filter
„We waste so much energy trying to cover up who we are when beneath every attitude is the want to be loved, and beneath every anger is a wound to be healed and beneath every sadness is the fear that there will not be enough time. […] Our challenge each day is not to get dressed to face the world but to unglove ourselves so that the doorknob feels cold and the car handle feels wet and the kiss goodbye feels like the lips of another being, soft and unrepeatable.“
– Mark Nepo | The Book of Awakening
Wenn man sich jahrelang hinter irgendeiner Maske versteckt, unter Unmengen Make-up oder einer unsichtbaren Rüstung, dann verkümmert das, was darunter liegt, weil es keinen echten Kontakt mit der Außenwelt geben kann. Wenn man alles nur mit Handschuhen anfasst oder die Umgebung ausschließlich durch einen Bildschirm hindurch erfährt. Man verwest, verfault oder mumifiziert. Das gilt natürlich nicht nur für Menschen, sondern zum Beispiel auch für Marken. Deshalb ist es oft so schockierend, wenn es auf einmal irgendwo bröckelt, für alle Beteiligten wohlgemerkt. Was sehr heilsam sein kann.
Tiere sehen Menschen ungefiltert. Ich erinnere mich an eine dem hohen Preis zum Trotz immer viele Monate im Voraus ausverkaufte Veranstaltungsreihe am Wolf Science Center, bei der sich die Teilnehmer – meistens Führungskräfte – von Wölfen in Sekundenschnelle entlarvt sahen. Es ging dabei nicht um Bloßstellen, sondern um Selbsterkenntnis zum Zwecke der persönlichen Weiterentwicklung. Ich weiß, dass es ähnliche Angebote auch mit Pferden und anderen Tieren gibt. Wenn nicht die Gefahr bestünde, dass sich das Ganze zu einer neuen Tierausbeutungsmaschinerie entwickelt, würde ich mir wünschen, dass jeder, am besten mehrfach im Leben, die Gelegenheit zu einem solchen Realitäts-Check bekommt. Ich würde es am liebsten alle fünf Jahre machen, und ich bedaure, dass ich von solchen Möglichkeiten nichts ahnte, als ich jung war.

