Löwenzahnkind
Weise Worte

Löwenzahnkind

„Löwenzahnkind“ von Lina Bengtsdotter spielt im Hochsommer in einer schwedischen Kleinstadt. Es wird also nie ganz dunkel, aber die Atmosphäre ist so düster wie man sie von Nordic Noir Thrillern kennt. Das Buch ist der Auftakt zu einer Serie um die Stockholmer Polizistin Charlie, die zwar brillant ist, aber wegen ihrer eigenen Dämonen beruflich wie privat zu scheitern droht. Es ist nicht so abgedroschen wie es klingt, und ich habe den Nachfolger, „Hagebuttenblut“, bereits auf meiner Leseliste.

Die Story dreht sich um ein siebzehnjähriges Mädchen, das nach einer Party spurlos verschwindet. Dieses Mädchen, Annabelle, erinnert mich sehr an Laura Palmer aus „Twin Peaks“, aber sie ist nicht die einzige an diesem Ort, bei der der Schein trügt. In der kleinen Stadt Gullspång, die zu den ärmsten Schwedens zählt, und die für ihre besonders hohe Zahl an Teenagerschwangerschaften bekannt ist, sind die Abgründe so tief wie der angrenzende See, der schon mehrere Menschen verschluckt und nie wieder hergegeben hat. Tatsächlich ist Annabelles Verschwinden auch nicht der einzige mysteriöse Handlungsstrang in „Löwenzahnkind“. Die Erzählung springt zwischen drei sich langsam aber sicher zuspitzenden Tragödien hin und her, und in allen spielen psychotische Eltern, vernachlässigte Kinder und ein überdurchschnittliches Maß an Affären, Alkohol und Drogen die tragenden Rollen. Die Zustände, das wird dem Leser schnell klar, sind Normalität in der prekären Provinz Skandinaviens. Und was einem am Ende ebenfalls dämmert: In solch einem Umfeld kommt es nicht selten zu Todesfällen mit äußerst komplexen Schuldfragen. Gefährliche Menschen bleiben aus verschiedensten Gründen auf freiem Fuß, aber ihre Taten ziehen Kreise, und das führt dazu, dass der Teufel an Orten wie Gullspång immer weiter tanzen wird, immer schneller vielleicht sogar. Und wohin soll das noch führen?

Lina Bengtsdotter schreibt ausgesprochen spannend. Ihre Charaktere sind vielschichtig, und selbst bei den Nebenfiguren erahnt man unter der Oberfläche interessante Geschichten, über die man gerne mehr erfahren würde. Ich habe das Buch innerhalb von zwei Tagen ausgelesen. Jetzt brauche ich aber erst einmal etwas leichtere Kost.