Life will break you
Weise Worte

Life will break you

Der Tod ist nicht der größte Verlust im Leben. Der größte Verlust ist das, was in uns stirbt, während wir leben.

Wenn man sich Fotos aus verschiedenen Lebensstadien eines Menschen ansieht, kann man im fortgeschrittenen Alter selbst auf Bildern, auf denen die Person glücklich lächelt, die Schäden sehen, die das Leben ihr zugefügt hat. Ich meine damit nicht die grauen Haare oder Altersfalten, sondern die etwas subtileren Zeichen wie eine veränderte Haltung, einen anderen Blick oder einen irgendwie verspannt wirkenden Kiefer. Doch natürlich tragen auch offensichtlichere Spuren wie Narben oder die berüchtigten „Magenfalten“ ihren Teil dazu bei.

In den zurück liegenden Monaten habe ich oft darüber sinniert, wie brutal uns das Leben zurichtet, physisch und psychisch. Uns alle. Fast immer. Manche offensichtlicher als andere. Bis ein jeder von uns schließlich an einer individuellen Sollbruchstelle kaputt geht. Als ich jung war, hätte ich nie gedacht, wieviel destruktiven Ballast wie Schuld, Angst, Trauer, Wut, Neurosen und Verzweiflung ich später einmal mit mir herum tragen würde. Ich ging immer davon aus, dass man im Grunde ewig reinen Herzens bleiben würde, wenn man kein „böser“ Mensch ist.

Aber man besitzt nicht die Allmacht über sein Leben, man macht Fehler, und oft genug hat man bei Entscheidungen nicht die Wahl zwischen gut und schlecht, sondern nur zwischen einem kleinerem und einem größeren Eimer Scheiße, wie ein Freund es einmal sehr treffend ausgedrückt hat. Man muss ein geliebtes Haustier einschläfern lassen, Träume opfern, liebe Menschen verlassen, Notlügen oder grausame Wahrheiten aussprechen. Und dann kommen noch all die Hiebe von anderen Menschen und die des Schicksals dazu. Jedes Mal entsteht ein Riss, mal oberflächlich und mal tiefer. Und nicht jeden einzelnen davon kann oder will man therapieren oder nach Art des japanischen Kintsugi mit Gold reparieren.

Ich glaube eigentlich fest daran, dass alles im Leben einen Sinn hat, einen Zweck erfüllt oder zumindest ein Fitzelchen Gutes in sich birgt. Aber der Verschleiß ist trotzdem da. Und er ist, wie oben erwähnt, ganz schön brutal, wie ich gerade an meinem Vater gesehen habe. Vorgestern schrieb ich, wie unfair mir das vorkommt. Aber wenn ich ehrlich bin, weiß ich, dass alles andere die ganz große Ausnahme und wahrscheinlich nicht einmal besser wäre. Denn die einzig wahre Devise lautet immer noch:

„I want to be thoroughly used up when I die.“
George Bernard Shaw

Danke für das Foto, Jens Holm