Katzen
Weise Worte

Jahresendgedanken

„Run from what’s comfortable. Forget safety. Live where you fear to live. Destroy your reputation. Be notorious. I have tried prudent planning long enough. From now on I’ll be mad.“
– Rumi


Zum Jahresende hin macht man sich ja gerne mal Gedanken über das, was war und wohin es einen geführt hat. Rückblick, Fazit, Pläne für die Zukunft. Ich habe mich in der letzten Zeit oft gefragt, ob ich in diesem Jahr mal wieder etwas zu drastisch war. Ob ich nicht generell etwas weniger radikal mit meinem Leben umgehen sollte. Mehr Bedacht, mehr wohlüberlegte Strategie, bessere Planung und Voraussicht. Denn seien wir ehrlich: Dieses Jahr hat mich einiges gekostet. Nerven und Moneten. Viel mehr als gedacht.

Ich bin ja schon einmal ausgewandert. Und schon damals habe ich im Nachhinein oft über meine Hals-über-Kopf-Aktion geflucht. Dabei waren weder ein Hauskauf noch eine so hohe Sprachbarriere wie diesmal involviert. Jetzt habe ich es wieder getan und sogar noch eine Schippe drauf gelegt. Ganz schön dumm. Nichts gelernt aus früheren Fehlern. Den Schuh muss ich mir anziehen.

Inzwischen habe ich mit wirklich vielen deutschen Frauen auf Ærø gesprochen. Warum sie hierher gekommen sind und wann. Wie sie es angestellt haben. Kaum eine ist allein nach Ærø gekommen. Die meisten kannten die Insel schon dank vieler Urlaube, hatten bereits Kontakte hier, brachten ihren handwerklich begabten Partner mit, sprachen schon Dänisch, haben Freunde und Familie in Norddeutschland und waren vor allem finanziell sehr viel besser aufgestellt als ich. So sollte es sein. So sollte man es machen. Ich sehe, warum diese Frauen so entspannt sind, während ich nachts manchmal nicht schlafen kann und friere. Ich sehe es. Ich weiß es. Es ist mir bewusst, und ich habe viel darüber reflektiert.

Aber. Mir begegnen immer öfter auch Menschen, die es ähnlich machen wie ich. Deren Leben dadurch Achterbahnfahrten sind, mit schlimmen Zeiten auch, aber andererseits so besonderen Erfahrungen und Begegnungen. Und das sind Menschen, die ich interessant finde und die mich inspirieren. Ich bin nicht allein mit meiner Art zu leben. Mit meiner Unvernunft, Ungeduld und Voreiligkeit. Es hat nämlich keineswegs nur Nachteile. Die Vorteile sind nur manchmal nicht so leicht ersichtlich. Ganz viele Menschen werden sie niemals erkennen. So wie ich nicht begreife, was deren Leben langfristig lebenswert macht.

Es gibt Gründe, warum ich so bin wie ich bin. Lange dachte ich, das seien vor allem unbewusste Dinge, psychologisch leicht erklärbare Konsequenzen meiner Kindheit, meiner Jugend und meiner Erfahrungen plus eine großzügige Prise ADS. Seit diesem Jahr weiß ich endlich, dass das längst nicht alles ist. Und dieses Wissen hat mir ein ganz neues Gefühl von Freiheit geschenkt. Mein imaginärer Autopilot hat ausgedient.