Seife
Weise Worte

Dünne Haut und Schwarze Seife

„I didn’t have the heart to tell her there’s no heaven to go to. Because we’re in it already. We’re in hell, too. They coexist right beside each other. And God is the land.“
– Taylor Sheridan


Momentan fällt es mir (offensichtlich) besonders schwer, hier zu schreiben. Ich habe immer schon mit der Relevanz meines Mini-Universums gehadert, und jetzt ist das natürlich noch schlimmer. Obwohl die Hölle auch früher schon auf der Erde stattfand, manchmal sogar direkt nebenan. Aber Relativierungen anhand eines diffusen Grades persönlichen Betroffenseins finde ich übel, also kann ich nur sagen, dass ich das Grauen gerade besonders deutlich wahrnehme. Aus was für fragwürdigen Gründen auch immer.

Zusätzlich gehöre ich zu dem großen Prozentsatz jener Menschen, die bei Bedrohungen (auch eingebildeten oder ganz weit entfernten) von Lähmung erfasst werden. Wenn es fight, flight or freeze heißt, ist freeze der Default-Modus meines inneren Autopiloten. Ganz gleich, ob jemand Inflation, WW III, einen Arztbesuch oder schreckliche Bilder auf dem Bildschirm in Aussicht stellt. Entsprechend zwinge ich mich gerade bewusst zu wenigstens minimal konstruktiven Tätigkeiten neben dem Alltag. Um nicht zu erstarren und um mich von dem ekligen Gefühl der Machtlosigkeit abzulenken.

Deswegen mache ich seit langer Zeit mal wieder Seife. Schwarze Seife, um genau zu sein. Ich hatte damit vor Jahrzehnten einmal angefangen, weil ich erstens empfindliche Haut habe, und zweitens tierische Inhaltsstoffe ebenso wie Tierversuche sicher ausschließen wollte. Etwas, das damals noch nicht ganz so einfach war wie heute.

Es gibt auch „Dudu Osun“, eine fertige Schwarze Seife, die in Nigeria hergestellt wird. Die verwende ich, wenn mir die eigene ausgegangen ist, was in den letzten Jahren oft der Fall war. Denn ich habe wie gesagt ewig keine Seife mehr selbst gemacht. Aber der Duft von „Dudu Osun“ ist speziell. Deshalb ist mir meine Eigenkreation nach wie vor am liebsten.

Jetzt musste ich mein Rezept allerdings updaten. Bisher habe ich meine Seife nämlich mit Aktivkohle und Shungitpulver hergestellt. Nicht nur, um sie zu schwarz zu färben, sondern auch, weil beides reinigend, ausgleichend und entzündungshemmend wirkt. Doch Shungit stammt aus russischen Minen, genauer gesagt, aus dem russischen Teil Kareliens. Die Preise für Shungit sind bereits merklich in die Höhe geschossen, und selbst wenn dem nicht so wäre, würde ich das Produkt im Moment nicht kaufen wollen.

Das ärgert mich. Nicht um meiner Seife Willen, sondern weil ich mir der Folgen für die Menschen dort, die nichts für den Krieg können, bewusst bin. Den Frust darüber baue ich ab, indem ich stundenlang Tonkabohnen im Mörser zerkleinere. Das kostet überraschend viel Kraft. Aber gemahlene Tonkabohnen müssen das Shungit ersetzen. Die Seife fällt jetzt heller aus als gewohnt, eher grau-schwarz gepunktet als schwarz, aber sie duftet besonders lecker, und das ist immerhin ein kleiner Trost.

Danke für das (Symbol-)Foto, Chelms Varthoumlien

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