Gasse in Marstal
Weise Worte

Dramaturgie einer Insel

„Jeden Sommer, wenn die Journalisten keine Ahnung haben, wie sie die Zeitung füllen sollen, besuchen sie Ærø. Die Geschichte ist immer dieselbe: Die Bevölkerung von Ærøskøbing und Marstal kann sich nicht einigen.“
– Karsten Hermansen


Anfangs hatten die Streitereien zwischen Ærøskøbing und Marstal vor allem Unterhaltungswert für mich, doch das ist inzwischen vorbei. So langsam durchblicke ich die Wurzeln des Konflikts. Ærø wird dadurch leider ein wenig entzaubert. Auch hier bestimmen Ungerechtigkeiten, Neid, Missgunst und Rachegelüste die Dynamiken des Geschehens. Unter der idyllischen Oberfläche menschelt es genauso wie überall sonst. Nicht, dass mich das überrascht. Aber ich hätte schon erwartet, dass die Menschen da, wo es genug Platz und Sonnenschein für alle gibt, wie unter einer Glocke der Milde und Gelassenheit leben. So sieht es nämlich auf den ersten Blick aus. Auch auf den zweiten und dritten. Aber dann geht es plötzlich um öffentliche Gelder, und schon wird es hässlich. Dass hier jeder jeden kennt, lässt alles schnell persönlich werden. Außerdem ist man auf einer Insel dieser Größe rasch selbst betroffen. Deswegen bin auch ich nicht länger neutral. Wenn die Welt um einen herum schrumpft, schrumpft man mit, fürchte ich.

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