
Don’t be angry. Do not worry.
„Six minutes of anger or ill thoughts weaken your immune system for 21 hours. Food for thought.“
– Online-Kommentar, ohne Quelle
Nach vielen Monaten der Unfähigkeit habe ich nun endlich meine Reiki-Ausbildung beendet. Dass dieses „Projekt“ so lange geschlafen hat, lag leider wirklich an nichts anderem: Unfähigkeit. Ich wollte Reiki lernen, seit ich damals in Ernstbrunn bei einer „Geistheilerin“ war. Das Erlebnis hat mich so fasziniert, dass ich unbedingt wissen wollte, was da vor sich gegangen war. Als ich dann – sehr viel später – endlich auf eine für mich passende Ausbildung stieß, hat sich diese Faszination schnell vertieft.
Doch dann gab es Probleme. Erst war es der Groll. Ich war nach dem Tod meiner Eltern sehr lange sehr wütend. Auf das Gesundheitssystem, auf Ärzte, Pfleger, Beamte, Kliniken, das Universum, das Leben an sich und auch auf mich selbst. Reiki funktioniert nicht, wenn man wütend ist. Mir ist klar, wie bescheuert das klingt. Ich fand diese Dinge und die Menschen, die darüber sprachen, früher auch hoffnungslos plemplem. Aber ich konnte die Energie, die man bei der Vorbereitung zwischen den Händen spürt, einfach nicht halten. Wenn ich es überhaupt schaffte, sie heraufzubeschwören. Entweder verflüchtigte sie sich innerhalb von Sekunden, oder sie verpuffte mit einem Schlag. Es war unglaublich frustrierend, und das torpedierte die Sache zusätzlich.
Seit ich in Dänemark bin, ist der Groll stetig weniger geworden. Er kommt ab und zu nochmal hoch, doch das meiste scheint einer Art Akzeptanz gewichen zu sein. Ich fing also wieder an zu üben. Und es lief schon sehr viel besser. Nur leider gab es inzwischen ein neues Hindernis: die Sorge. Eine Amöbe. Eine Hydra. Zum Einen war da jetzt die ganz banale Angst davor, dass die Energie wieder verschwindet, weil ich das zuvor so oft erlebt hatte. Zum Anderen ist es aber natürlich auch nicht so, als hätte ich meinen Umzug in ein Land mit anderer Sprache, anderer Währung und anderen Gesetzen völlig leichten Herzens vollzogen. Zumal die Zeiten gerade ohnehin ausreichend Anlass zur Sorge bieten.
Sorgen, Ängste und Zweifel sind wahrscheinlich die am leichtesten zu trainierenden Muskel, die wir Menschen haben. Man kann sogar mit zunehmendem Alter noch problemlos zum Champion werden. Als chronischer Overthinker betrachte ich mich als olympiareif, was Worst-Case-Szenarien, Katastrophisieren und Existenzängste angeht. Mich dahingehend umzupolen, war mit Abstand das Schwerste an der ganzen Reiki-Ausbildung. Aber mit Sicherheit auch das Beste, was ich in diesem Leben lernen konnte.

