Fischer oder Fährmann
Weise Worte

Der Körper ist ein Archiv

„If you notice yourself feeling unusually anxious, weepy, or down and can’t seem to figure out why, stop and consider whether the date correlates with anything particular in your past. Being aware of the concepts of anniversary reactions and cellular memory can help you weather the storm of these emotions.“
– GoodTherapy | Trauma and the Body: When Anniversaries Aren’t So Happy


Hier kommt mal wieder ein total unwissenschaftlicher Beitrag. Ich vermenge wahrscheinlich Unterbewusstsein und Körpergedächtnis, Begriffe, die in verschiedenen Wissenschaften sowieso sehr unterschiedlich betrachtet werden, auf laienhafte und grob vereinfachende Weise. Aber in meiner subjektiven Erfahrungswelt ergibt das nun einmal Sinn.

Gestern Nachmittag schlich sich etwas an mich heran, das ich erst für eine Migräne hielt, aber es war anders als sonst. Vor allem fehlte ein für mich typischer Auslöser wie ungünstiger Luftdruck, Wetterumschwung, nachlassender Stress oder falsches Essen. Es begann mit völlig grundloser schlechter Laune, zu der sich Kopfschmerzen gesellten, die sich schnell ins Unerträgliche steigerten. Dazu kam eine mir bis dahin unbekannte Ruhelosigkeit. Am Abend war ich aggressiv, mir war kotzübel, und ich wusste nicht, wo ich mich lassen sollte, wie man so schön sagt. Ich ging ins Bett und heulte. Gegen 23 Uhr wachte ich auf, und mir fiel ein, dass heute der zweite Todestag meiner Mutter ist. Um 3 Uhr wachte ich erneut auf, ungefähr die Uhrzeit, zu der meine Mutter starb, und konnte nicht wieder einschlafen, aber ich merkte, dass sich die Kopfschmerzen verflüchtigten.

Ich würde das Ganze als Zufall betrachten, hätte ich nicht vor ein paar Jahren schon einmal etwas Ähnliches erlebt. Damals jährte sich zum dritten Mal der Tag, an dem ich meinen ersten Hund einschläfern lassen musste, ein traumatisches Erlebnis. Weil es ein betriebsamer Tag war und ich grundsätzlich kein gutes Gedächtnis für Daten habe, fiel mir erst abends ein, um was für ein trauriges Datum es sich handelte. Aber ich war schon mit Kopfweh und bedrückter Stimmung aufgestanden. Im Verlauf des Tages schrammte ich ein paar Mal ganz knapp an einem Heulkrampf vorbei, was ich zunächst irrtümlich auf einen Aussetzer meiner Hormone schob. Ich rätselte, was mit mir los war, bis es mir nach Feierabend bei einem Blick in meinen privaten Kalender wie Schuppen von den Augen fiel.

Ich erinnere mich noch gut, dass mich dieses Erlebnis fasziniert hat. Aber erst heute, nach einer Wiederholung des Musters, habe ich versucht heraus zu finden, ob bei solchen Ereignissen schlicht unterbewusste Trauer am Werk ist, oder ob das sogenannte Körpergedächtnis dabei eine Rolle spielt. Die Frage ist natürlich, wo man beides trennt. Jedenfalls bin ich auf den oben zitierten Artikel gestoßen und daher inzwischen sicher, dass es sich tatsächlich nicht um rein zufällige Moodswings einer zur Bipolarität neigenden Hysterikerin gehandelt hat.

Im Zuge meiner Recherchen ist mir außerdem einmal mehr klar geworden, warum ich die moderne Neurowissenschaft für ein Feld Scheuklappen tragender Geeks halte.


„In den Neurowissenschaften wird das Körpergedächtnis hauptsächlich im Zusammenhang mit der Speicherung von Bewegungsabläufen betrachtet.“
– Wikipedia

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