Bücher und Fotoapparat
Weise Worte

Bücher als Spiegel

„Books are mirrors: You only see in them what you already have inside you.“
Carlos Ruiz Zafon

Wie wahr dieses Zitat aus „Der Schatten des Windes“ ist, kann man an vielerlei Dingen erkennen. Verfilmungen erwecken oft den Eindruck, als hätte es verschiedene Ausführungen eines Buches gegeben, denn offensichtlich liest es jeder Mensch ein bisschen anders. Und auch, wenn man ein und dasselbe Buch Jahre später noch einmal liest, entdeckt man Dinge, die man bei der ersten Lektüre überhaupt nicht wahrgenommen hat. Ganze Sätze, Absätze oder Seiten scheinen auf geheimnisvolle Weise hinzu gekommen oder umgeschrieben worden zu sein.

Mir ist das wieder bewusst geworden, als ich letzte Woche im Deutschlandfunk einen Beitrag aus der Reihe „Das Buch meines Lebens“ hörte. Früher habe ich nämlich niemals ein Buch mehr als einmal gelesen. Das hat sich erst geändert, als ich mein persönliches „Buch meines Lebens“ benennen konnte. Dieses Buch habe ich inzwischen dreimal gelesen, und es war jedes einzelne Mal ein bisschen anders. Deshalb lese ich mittlerweile auch andere Bücher mehr als einmal. Zum Beispiel, wenn es mir nicht gefallen hat, aber Menschen, deren Geschmack ich schätze, es in den höchsten Tönen loben. Oder wenn ich weiß, dass ich beim ersten Mal Teile nur überflogen habe, weil es so spannend war. Oder weil ich es beim ersten Mal in einer schwierigen Phase gelesen habe. Manchmal auch, wenn das Lesevergnügen so groß war, dass ich es noch einmal erleben möchte, obwohl mir bewusst ist, dass es nicht dasselbe sein wird.

Ich habe mir allerdings noch nie darüber Gedanken gemacht, was die veränderte Wahrnehmung bei einer Wiederholungs-Lektüre über mich aussagt. Sollte man dieses neue Spiegelbild seiner selbst kritisch betrachten? Es analysieren? Selbst-Reflexion ist nie verkehrt, und es könnte bestimmt hilfreich sein. Aber eigentlich möchte ich mich damit gar nicht so sehr auseinandersetzen, solange mir kein Buch unterkommt, das ich beim zweiten Lesen auf einmal nicht mehr mag.

Danke für das Foto, Calvin Hanson