
Wurzeln schlagen
In meiner allerersten Woche auf Ærø war ich schon einmal bei Lindsbjerg Bakke. Damals habe ich mir vorgenommen, diesen tollen Ort möglichst bald noch einmal zu besuchen, am besten um entweder die Sonne oder den Mond untergehen zu sehen. Das habe ich leider noch nicht geschafft. Aber wenigstens war ich letzten Sonntag wieder dort, mitten am Tag.
Als ich dort oben stand und dachte, wie schön die Aussicht ist, habe ich kurz damit gehadert, wie wenig ich in den letzten Monaten unternommen habe. Ich hatte viel mehr geplant, vor allem Ausflüge auf die Nachbarinseln. Das hat aus guten Gründen nicht geklappt, und ich musste mich einmal mehr daran erinnern, dass ich seit Mai sehr wohl eine ganze Menge wichtige Dinge geschafft habe. Das Teufelchen, das mir Harder, Better, Faster, Stronger ins Ohr flötet, macht also immer noch ab und zu seine Aufwartung. So leicht schüttelt man tief verwurzelte Glaubenssätze und Gewohnheiten nicht ab.
Trotzdem merke ich, dass ich inzwischen viel geerdeter bin. Ich schlage Wurzeln. Vor ein paar Tagen war ein Gärtner hier, um mit mir die Arbeiten zu besprechen, die ich alleine nicht bewältigen kann. Zum Beispiel muss tonnenweise Kies entsorgt werden. Der gute Mann hat ein bisschen gegraben und war begeistert von der Erde, die unter den Steinen und dem Unkrautvlies zum Vorschein kam. Ich kann es gar nicht erwarten, die Eichel von den Frauensteinen in diese Erde zu pflanzen. Hoffentlich wird etwas aus ihr.
In fünf Jahren kann eine junge Eiche bis zu zwei Meter hoch werden. Sollte mir noch einmal jemand die berüchtigte Frage stellen: „Wo sehen Sie sich in fünf Jahren?“, dann habe ich endlich eine Antwort, die mich selbst zufrieden stellt: „In meinem Garten, neben einer Eiche, die genau so groß ist wie ich.“

