Vorfahren
Ehrlich gesagt war mein Interesse an meinen Ahnen nie besonders ausgeprägt. Ich habe mich oft darüber gewundert, wenn Bekannte begannen, Familienstammbäume anzulegen und horrende Summen für entsprechende Services zu berappen. Jetzt, im Zeitalter der Apps, gibt es günstigere Angebote, aber wirklich seriöse Anbieter sind natürlich nach wie vor nicht umsonst. Trotzdem lese ich in den sozialen Medien ständig von irgendwem, der gerade seine Daten eingeschickt oder zurück erhalten hat. In einem Storytelling-Workshop ist mir kürzlich wie Schuppen von den Augen gefallen, warum es auch für mich interessant sein könnte, etwas tiefer in meinem kulturellen Hintergrund zu graben. Denn viele Geschichten sind als authentisches, regional verwurzeltes Kulturgut wie Türen, zu denen manchmal nur „die Alten“ die richtigen Schlüssel liefern können.
Soweit ich bisher wusste, waren die Hintergründe meiner Familien väterlicherseits und mütterlicherseits nicht besonders spektakulär. Die Eltern meiner Mutter kommen aus dem Norden Deutschlands bzw. dem Süden Dänemarks. Von der Mutter meines Vaters weiß ich eigentlich nur, dass sie mit einem Bollerwagen, dem ein Rad fehlte, und zwei Kleinkindern aus dem Osten – was auch immer das heißen mochte – ins Rheinland kam, auf der Flucht vor „den Russen“. Nun führte mich ein Zufall nach Thüringen, und weil ein Zufall selten allein kommt, stellte sich heraus, dass es mich just in die Gegend verschlug, in der mein Vater geboren wurde.
Auf einmal regnete es Informationen über einen Ort, der zuvor nie Erwähnung fand. Und dort blüht eine Märchen- und Sagenwelt, die mich schon als Kind magisch anzog, die ich aber nie bewusst mit einer bestimmten Region in Verbindung brachte. Dass diese Region früher in einer No-go-Area (der DDR) lag, mag einer der Gründe dafür sein, warum ich nie auf die Idee kam, mich dort umzusehen. Aber jetzt möchte ich diesem Teil meiner Wurzeln endlich auf den Grund gehen.
