
Sturmflut
Die orange Warnung wurde bereits am Mittwoch zu einer roten. Und weil die süddänische Polizei alle Küstenbewohner aufforderte, ihre Behausungen bis spätestens Freitag Morgen zu verlassen, war ich wirklich kurz panisch. Meine Nachbarn haben mich allerdings schnell beruhigt, und als sich die Lage zuspitzte, konnte ich selbst sehen, dass das Wasser niemals bis zu meinem Haus kommen würde. Es sind doch ein paar Höhenmeter zuviel.
Trotzdem waren das zwei sehr ungemütliche Tage. Zu der aus allen Nähten platzenden Ostsee kamen kräftiger Dauerregen, ein Temperatursturz und wirklich abartiger Wind. Sturm bin ich hier inzwischen gewohnt, aber das war ein neues Level. Mit aktuell drei Hunden an der Leine, einer davon nur zu Besuch und entsprechend aufgeregt, war jeder Gang nach draußen eine Farce. Die üblichen Spazierwege waren längst überflutet, und fallende Äste, fliegende Dachziegel oder umstürzende Bäume machten einen Spießrutenlauf aus den Gassitouren. Deshalb konnte ich auch keine Fotos oder Videos machen. Muss ja auch nicht sein. Andere haben genug davon gemacht, ich möchte hier nur nicht auf Facebook verlinken.
Im Moment bin ich einfach nur froh, dass bei mir außer ein paar Blumentöpfen nichts zu Bruch gegangen ist. Viele Bootsbesitzer haben herbe Verluste zu beklagen. Auch ein paar der Badehäuschen, Ærøs Wahrzeichen, sind schwer beschädigt oder gar weggeschwommen. Einige Häuser, Büros oder Gastro-Betriebe in den Häfen konnten das Wasser trotz Sandsäcken und Schoten nicht lange abhalten. In manchen Straßen klaffen riesige Löcher im Asphalt, wo die Wellen genagt haben.
Was mir am meisten Sorge bereitet, ist eine Herde Schafe auf Store Egholm, einer winzigen, grasbewachsenen Insel knapp fünf Kilometer vor Ærøskøbing. Die Insel ist flach und am höchsten Punkt zwei Meter hoch. Der maximale Pegel war erst für 1,45 Meter, dann für 1,70 Meter und schließlich zwei Meter angekündigt worden. Letzte Nacht waren es dann wohl 2,15 Meter. Ohne Wellen. Ich habe ehrlich gesagt ein bisschen Angst, Nachrichten darüber zu lesen. Aber es wird schon alles gut ausgegangen sein. So wie hier.
NACHTRAG zu den Schafen auf St. Egholm: Sie standen in der Nacht 8 Stunden bis zum Bauch im Wasser, aber sie haben alle überlebt und werden am Dienstag abgeholt und nach Hause gebracht.

