
Sprachbarrieren
Das wahrscheinlich größte Gegenargument für meinen Umzug nach Dänemark war die dänische Sprache. Die ist nämlich schwer. Dass ich sie außerdem noch nie besonders schön fand, kommt dem Lernprozess nicht entgegen. Ich habe mir das Problem schön geredet, weil in den grenznahen Regionen viele Dänen Deutsch sprechen, zumindest rudimentär, und Englisch ist natürlich auch verbreitet.
Tatsächlich hatte ich bis jetzt auch kaum Verständigungsprobleme. Aber eines hatte ich nicht bedacht. Dass man manchmal eben doch mit Leuten zu tun hat, die weiter im Norden leben und arbeiten, vor allem in Kopenhagen. Dort sprechen viele höchstens soviel Deutsch wie ich Dänisch, und vor allem haben sie – verständlicherweise – wenig Lust, sich für die deutschen Zuwanderer krumm zu machen.
Deshalb habe ich nun die ersten Schwierigkeiten, nämlich beim Abschluss einer speziellen Versicherung. Ich habe den Mailweg probiert, weil mir dabei der Google-Übersetzer eine große Hilfe ist. Aber in diesem Fall verlangt der Versicherer explizit, dass ich mich durch sein Anruf-Leitsystem quäle. Ich verstehe so gerade noch „…wählen Sie die Eins“, „…wählen Sie die Zwei“, „…wählen Sie die Drei“ und „…wählen Sie die Vier“, aber die genuschelten Sätze davor – keine Chance. Dreimal bin ich schon am falschen Ende ausgekommen, und anstatt mich gnädig in die passende Abteilung weiter zu verbinden, warf man mich erbarmungslos erneut ins Leitsystem, natürlich ganz an den Anfang. Es ist zum Verzweifeln.
Ich habe die dänischen Kern-Begrifflichkeiten, wie die verschiedenen Versicherungstypen, Schadensfälle, Rechnungsfragen und so weiter auswendig gelernt. Aber es klappt trotzdem nicht. Denn das schwerste an der dansk sprog ist die Aussprache. Die Dänen sparen sich beim Sprechen ungefähr die Hälfte jedes einzelnen Wortes und lassen es bestenfalls in einem immer gleichen gutturalen Laut enden, den ich nicht einmal ansatzweise selbst zustande bringen würde. Deswegen nenne ich es Nuscheln. Und das ist keineswegs unberechtigtes Herabwürdigen durch einen bornierten Expat. Die Dänen haben nämlich selbst Probleme damit. Im Fernsehen oder im Theater verstehen sie nur die Hälfte dessen, was die Schauspieler von sich geben. Ich zitiere einen köstlichen Artikel aus der Süddeutschen Zeitung:
Der Fernsehkommissar erkennt eine wichtige Spur – der Zuschauer tappt weiter im Dunkeln. Die holde Maid und der süße Jüngling gestehen sich ihre Liebe – der Zuschauer sieht nur zwei Menschen, die ihre Lippen bewegen. Wer hat wen umgebracht? Wer schwört wem ewige Treue? Zu hören ist nur undefiniertes Gemurmel.
SZ | Nicht mal die Dänen verstehen dänisch
Während die Schauspieler ihr Genuschel als „authentisch“ bezeichnen, sind einige Fernsehsender dazu übergegangen, dänische Filme und Serien mit dänischen Untertiteln zu versehen. Das hat mich so amüsiert, dass ich mein Problem mit der Versicherung kurz vergaß. Aber leichter wird es dadurch nicht, und ich werde diese Sprache zukünftig noch oft verfluchen. Vielleicht sogar öfter, als ich erwarte habe.

