Dead End
Grimoire

Seelenhygiene

Dass ich meine Social Media Kanäle drastisch beschnitten habe, habe ich neulich schonmal angesprochen. Besonders Twitter hat mir schon sehr lange schlechte Laune beschert. Aber weil die Plattform die einzige Konstante meiner Online-Aktivitäten für mehr als ein Jahrzehnt war, habe ich den Finger immer wieder vom Deaktivierungs-Button genommen und stattdessen alles mögliche probiert, um die „Experience“ in eine erfreulichere Bahn zu lenken. Es hat alles nichts gebracht. Letzte Woche habe ich mich von Twitter verabschiedet.

Ich hatte mit Entzugserscheinungen gerechnet, aber mir geht es einfach nur besser. Lustigerweise kam gestern ein Tatort (ein Dortmunder, den ich normalerweise nicht gucke, weil mir die Kommissare sehr unsympathisch sind), und der hat mich noch einmal in meiner Entscheidung bestätigt. Denn einer der Hauptgründe für das Unbehagen, dass mich bei jedem Twitter-Login befiel, war auch Thema der gestrigen Tatort-Folge: Hetze, Gespalte und für die jeweilige Ansicht passend gemachte „News“.

Man kann dem nicht entkommen, weil es überall ist, nicht nur auf Twitter, das ist mir schon klar. Und ein Ausblenden unangenehmer Zustände ist keine Lösung. Doch was ich auf jeden Fall für mich ausblenden möchte, ist die Ebene von Brandbeschleunigung, die Social Media (und die „neue“ Medienlandschaft überhaupt) auf unsere köchelnde Welt kippt. Überall Giftspritzen, rechts wie links. Ich habe immer mit dem sympathisiert, was den Hashtag linksgrünversifft angepappt bekommt. Aber inzwischen kann ich die Sprachrohre aus dieser Ecke genauso wenig ertragen wie die Idioten aus dem rechten Kader. Und weil sich das so falsch anfühlt, vermittelt es mir natürlich Unbehagen.

Manchmal denke ich, dass ich mich bald komplett vom Internet abwenden könnte. Und die Vorstellung gefällt mir irgendwie. Sie hat so etwas retro-romantisches, wie der ewige Traum vom Offgrid-Leben in einer einsamen Waldhütte. Aber wie soll das gehen ohne lebensrettende Anleitungen auf Youtube, eBooks oder Streaming von Musik und Filmen für die Seele? Ich habe meine beiden Hunde nur dank Facebook, obwohl ich den Laden verachte. Und alle meine Fortbildungen sind nur dank Internet möglich.

Yin und Yang durchdringt alles. Irgendwann erstelle ich bestimmt einen neuen Twitter-Account.

Danke für das Foto, Mike Erskine