
Rolemodel
Oft beneide ich Hunde für ihre Fähigkeit, im Moment zu leben. Ich grübele regelmäßig über gestern, morgen und die Welt in zwei Jahren. Außerdem habe ich mir im Laufe meines Lebens eine handfeste Paranoia angeeignet. Tagsüber habe ich sie einigermaßen im Griff, aber wehe, wenn die Nacht kommt, vor allem die Verwundbarkeit des Schlafes.
Letzte Nacht habe ich geträumt, dass mein Rücken mit blutenden Wunden übersät ist. Halb verkrustete, wieder aufbrechende Schnitte und Kratzer, aber auch ganz frische Verletzungen, aus denen das Blut heraus quillt wie in einem billigen Horrorfilm. Das Resultat einer Mischung aus Peitschenhieben, Hautkrebs und Messern im Rücken. Gut möglich, dass ich in der letzten Zeit zu viele Trailer geguckt habe, die im Oktober fast ausschließlich Halloween-Content bieten. Es kommen im Moment aber auch eine Menge fieser Erinnerungen hoch, weil Personen aus unerfreulichen Phasen meines Lebens wieder auftauchen. Wegen solcher Leute neige ich dazu, die Brücken hinter mir abzufackeln.
Und dann frage ich mich wieder, wie Hunde das machen. Tonks zum Beispiel. Ihre Vergangenheit kennt nur sie allein, aber rosig kann sie nicht gewesen sein. Trotzdem hält sie sich offensichtlich für die nicht zu stürzende Königin der Welt und begegnet allem und jedem (außer Zugtüren) mit einer unerschütterlich optimistischen Erwartungshaltung. Auch wenn ihre Träume oft dramatisch scheinen, ist sie sofort nach dem Aufwachen guter Dinge. Selbst jetzt, da das Alter zunehmend an ihr nagt. Ich kann nur hoffen, dass sie ururalt wird. Ich muss sie als leuchtendes Beispiel vor Augen haben.

