dreierlei Absinthe
Grimoire

Pimpinella anisum

Anis polarisiert wahrscheinlich in ähnlichem Maß wie Patchouli. Die einen lieben es, die anderen müssen schon beim Gedanken daran würgen. Es ist ein sehr charakteristischer Geschmack, eine Mischung aus frisch, süß und scharf und damit auf einer Linie mit Fenchelsamen oder Süßholz bzw. Lakritz.

Ich liebe Anis, und wahrscheinlich ist das auch der Grund, warum ich so gerne Absinth trinke. Eigentlich mag ich alle Getränke, die nach Anis schmecken: Pernod, Pastis, Küstennebel, Raki, Ouzo und – bevor jemand schreit – auch ganz simplen Anis-Tee. Doch Absinth ist wegen des Rituals, seiner Farbe und der nostalgieschwangeren Geschichten, die sich um dieses Getränk ranken, mein Favorit.

Andere verabscheuen Absinth gerade wegen des Anis-Geschmacks. „Das schmeckt ja wie Hustensaft!“ höre ich oft. Aber erinnert sich noch jemand an den köstlichen Kinder-Hustensaft von damals, der so gut schmeckte, dass er zum Highlight jedes elenden grippalen Infekts wurde? Der Saft enthielt (neben Anis) reichlich Zucker und wohl auch eine nicht unerhebliche Menge Alkohol. Ich meine mich zu erinnern, dass er deswegen abgeschafft wurde. Sehr zum Bedauern vieler Kinder der 70er und 80er. Der Saft hat wahre Wunder gewirkt, und das lag hauptsächlich an seiner Anis-Basis.

Schon die alten Ägypter verwendeten Anis bei Atemwegserkrankungen. Aber auch bei Magen-Darm-Beschwerden, weil es krampflösend wirkt. Amerikanische Ureinwohner nannten Anis deswegen „Tut-te see-hua“, was soviel wie „Es vertreibt den Wind“ bedeutet. Entsprechend findet man Anis-Tee in jeder anständigen Haus-Apotheke. Ich könnte mir vorstellen, dass viele Anis nur deshalb so verabscheuen, weil sie den Tee früher zu oft „verordnet“ bekommen haben und den Geschmack seitdem mit Krankheit assoziieren.

Aber man kann Pimpinella anisum auch anderweitig nutzen. Ätherisches Anisöl ist nämlich ein natürliches Insektizid. Und Tierschützer verwenden Anissamen gerne, um die umstrittenen Fuchsjagden zu boykottieren. Denn Hunde finden Anis wahnsinnig interessant und verlieren nahezu jede Fährte aus den Augen der Nase, wenn diese von einer Anisspur gekreuzt wird. Simpel, aber effektiv.

Dieser Post soll natürlich niemanden zu möglicherweise fragwürdigen Handlungen oder gar übermäßigem Alkoholgenuss anstiften. Aber zu guter Letzt möchte ich noch festhalten, dass es auch anisfreie Absinthsorten gibt. Dank eines Freundes habe ich erst kürzlich einen solchen Absinth mit einer leicht fruchtigen Note entdeckt, der wirklich köstlich war. Er trübt sich nicht so schön ein wie klassischer Absinth, aber ist perfekt für den Sommer und kommt ganz sicher in mein Standard-Sortiment.