
Modifizierte Träume
Seit meiner Kindheit habe ich von einem Haus in der Sommerstadt von Nyborg geträumt. Ein Holzhaus, am besten schwarz, direkt am weitläufigen Strand, den man kilometerweit entlang spazieren kann. Nun ist es ein Haus in einem Dorf auf Ærø geworden. Aus Stein, weiß, 500 Meter von einem eher kleinen Strand entfernt. Gerade war ich wieder in Nyborg in der Sommerstadt, und ich habe mit Spannung in mich hinein gelauscht. Bedauere ich es, von meinem Traum abgewichen zu sein?
Manchmal fällt es mir schwer, mir selbst gegenüber ehrlich zu sein. Offen zuzugeben, dass ich einen Fehler gemacht habe, vor allem bei den großen Dingen. Aber in diesem Fall war die Sache zum Glück glasklar. Ich habe alles richtig gemacht. Und ich bin so erleichtert.
Nun muss man natürlich bedenken, dass ein Haus in der Sommerbyen sowieso weit außerhalb meines Budgets lag. Ganz davon abgesehen, dass Ferienhäuser sehr unpraktische Auflagen für Ausländer haben. Und ich wollte ein Haus, dessen Umgebung besser für die Hunde geeignet wäre, besonders im Sommer. Etwas mehr Nähe zu Deutschland war auch ein Punkt, der bei meiner Entscheidung eine Rolle gespielt hat. Rein rational wäre es idiotisch gewesen, partout an der Originalversion meiner Wünsche festzuhalten.
Allerdings habe ich außerdem festgestellt, dass sich Nyborg nicht mehr so anfühlt wie früher. Dieser Ort ist so untrennbar mit meinen Eltern verbunden, dass permanent bittersüße Erinnerungen auf mich einstürzten. Und auch wenn das mit der Zeit nachlassen wird, kann ich mir im Moment überhaupt nicht vorstellen, dort noch einmal unbeschwerte, glückliche Zeiten zu verbringen. Ich bin mit beinahe ähnlicher Erleichterung von dort aufgebrochen wie aus Büttgen, und das hätte ich in dieser Intensität nie erwartet. Dass sich Nyborg zusehends verändert, wie die meisten Orte heutzutage nicht unbedingt zum Besseren, spielt natürlich ebenfalls eine Rolle.
Am interessantesten war für mich aber etwas anderes: Ich war zwar nur zwei Tage in Nyborg, doch ich hatte tatsächlich so etwas wie Heimweh nach Ærø. Je näher die Fähre Marstal kam, desto aufgeregter wurde ich. Ich konnte es kaum erwarten, in mein immer noch total ungemütliches Haus zu kommen. Ich merke, wie sehr mir diese Insel in knapp drei Monaten ans Herz gewachsen ist. Und selbst dieses Dorf, in dem ich erst seit einer Woche bin, fühlt sich schon nach Zuhause an. Vor allem jetzt, da auch die letzten Zweifel ausgeräumt sind.

