Kompass
Grimoire

Mindset oder „Ich bin so übertrieben hooked!“

„Langsam ist das bessere Schnell.“
– Survival Mattin


Mittlerweile redet einfach jeder, der auch nur ansatzweise mit Video-Content zu tun hat, über 7 vs. Wild, und tatsächlich sprengt Fritz‘ Projekt gerade alle Erwartungen, selbst seine eigenen, und das will was heißen. Gestern Abend ging die vierte Folge („Bärengebiet“) online, und auch wenn noch nicht einmal die Hälfte der Serie gelaufen ist, kann ich einfach nicht länger an mich halten. Am liebsten hätte ich schon nach Folge 2 („Die Aussetzung“) ein Zwischenfazit geschrieben. Ich bin „übertrieben hooked“, um es mal in der Sprache dieser „geisteskranken“ Generation auszudrücken.


Achtung, dieser Beitrag enthält dezente, aber unüberlesbare Spoiler!


Aber im Ernst: 7 vs. Wild ist wirklich großes Kino, im wahrsten Sinne des Wortes, und es ist völlig berechtigt, dass die Serie längst nicht mehr nur von der Bushcraft-, Outdoor- und Abenteurer-Blase gesuchtet wird. Ich freue mich tierisch, dass es Fritz und seinem Team gelungen ist, das Format in den Aufmerksamkeitsbereich vieler „Natur-ist-mir-egal“-Jugendlicher schwappen zu lassen. Und ich bin begeistert angesichts der zahlreichen Überraschungen, die schon in den ersten Folgen zeigten, dass es sich nicht um ein „verlängertes Campingwochenende mit Freunden“ handelt, wie ein paar vermeintlich ganz Harte behauptet hatten.

Aber eigentlich möchte ich in diesem Beitrag nicht – schon wieder – die Serie an sich feiern, sondern die Mindsets und Soft Skills der erfreulich diversen Teilnehmer. Schon kurz nach der Aussetzung wurde klar, wie wichtig Erfahrung und Know-how sind. Aber es wurde ebenfalls deutlich, wie wenig das alles nützt, wenn der Kopf schwächelt. Wie leicht fatale Fehler passieren, wenn man friert, klatschnass ist, hungrig, durstig, unausgeschlafen, total aufgeregt und außerdem ohne Handy, völlig isoliert vom Rest der Welt, dafür aber verdammt nah an Braunbären, Wölfen und Luchsen. Ich glaube nicht, dass irgendjemand damit gerechnet hat, dass das Rettungsteam schon vor der allerersten Nacht gleich zweimal würde ausrücken müssen.

Fabio, der weder Schlafsack noch Tarp dabei hat, spricht das Thema positive Einstellung mehrfach an, und zweifellos hätte er die erste Nacht ohne sie kaum überstanden. Nun bleibt zu hoffen, dass er weiter durchhalten kann, selbst wenn es in den nächsten Tage immer wieder regnen sollte. Denn in der gestrigen Folge konnte man deutlich sehen, was die Entdeckung der Bärenfährte nahe seines Shelters mit seinem Kopf angestellt hat. Wenn Fabio es trotzdem schafft, tough zu bleiben, kann er ab sofort Kurse für mentale Stärke anbieten und damit reich werden.

Außerdem werde ich mehr und mehr zum Bommel-Fan. Fritz sagte in Folge 1, er könne sich vorstellen, dass Bommel oder Chris relativ früh ausscheiden, weil sie mit weniger Ernsthaftigkeit oder Willen zum Sieg an das Projekt heran gehen. Für mich steht dagegen fest, dass beide gerade wegen ihrer fehlenden Verbissenheit besonders weit kommen könnten. Bommel scheint derzeit wie die Ruhe selbst, fast so, als wäre er im Urlaub. Er philosophiert in seiner Hängematte, und entsprechend leicht gehen ihm die Dinge von der Hand, auch die erste Tageschallenge. Während sich andere jammernd aus dem Schlafsack pellen, wünscht Bommel einen wunderschönen guten Morgen.

Auch Chris wirkt trotz aller Schwierigkeiten nicht so, als hätte irgendetwas ernsthaft an seinen Grundfesten gekratzt. Bei ihm hat man wirklich den Eindruck, dass er richtig viel wegstecken kann. Konkrete Schwächen, die zum Beispiel bei Fritz (Hunger) oder Mattin (Isolation) für eine verfrühte Kapitulation sorgen könnten, scheinen ihm völlig abzugehen. Überhaupt, nachdem ich mir auch seine Reactions angeguckt habe, wird er mir zunehmend sympathisch. Er schimpft und flucht, aber ohne den bei anderen mitschwingenden Hauch von Dramaqueen.

Doch auch Fritz und Mattin, die beiden Oberrampensäue, die mir eigentlich bis dato zu laut (Mattin) oder zu gemein (Fritz) waren, haben mittlerweile überraschend viele Sympathiepunkte gesammelt. Mattin glänzt mit unerwarteten Weisheiten und legt eine total bodenständige Art an den Tag, die mir bisher völlig entgangen ist. Fritz hat spätestens mit seiner kleinen Rede gegen Ende der gestrigen Folge einen fetten Stein bei mir im Brett. Das war cool, und genau das macht 7 vs. Wild zu Storytelling at its best. Es ist nicht nur unterhaltsam, sondern außerdem relevant.

Ich könnte mir vorstellen, dass die Serie einen eigentlich ungeplanten Impact auf die deutschsprachige Youtube-Gemeinde hat. Weil sie ganz am Rande ein paar wichtige Messages vermittelt. Zum Beispiel, dass gedankenloser Fleischkonsum gar nicht mal so cool ist. Und dass völlig sinnbefreiter Juxcontent irgendwie lame ist, wenn man doch safe richtig geilen Scheiß produzieren kann.

Danke für das Foto, Jon Tyson

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