Hugorm-Paradies
Grimoire

Hugorm

Nachdem ich vor ein paar Tagen erfahren habe, dass einer der Schlittenhunde meiner in Schweden lebenden Bekannten nach einem Kreuzotterbiss gestorben ist, tobt in mir die Paranoia. Ich wusste, dass Kreuzottern bis zum Polarkreis vorkommen, aber mir war nicht bewusst, dass sie in den skandinavischen Ländern so stark verbreitet sind, dass man gebietsweise wirklich auf der Hut sein muss, wenn man kleine Kinder, Hunde oder Katzen hat.

In Dänemark nennt man Kreuzottern „Hugorm“, was soviel wie „umarmender Wurm“ bedeutet. Klingt einerseits niedlich, andererseits – jedenfalls für meine Ohren – nicht ausnehmend sympathisch. Das Gift der Hugorme ist für erwachsene Menschen normalerweise nicht lebensbedrohlich, zumal die Schlangen wenig aggressiv sind und man daher in der Regel höchstens einen „Schreckbiss“ abbekommt. Dabei wird viel weniger Gift injiziert als bei einem „Fangbiss“. Aber für Lebewesen mit weniger Körpermasse kann die Kreuzotter sehr wohl gefährlich werden, besonders für sehr zappelige Kandidaten, denn in ihren Körpern verteilt sich das Gift schneller als man einen Arzt oder Tierarzt erreicht.

Ich habe bisher nur ein einziges Mal eine Kreuzotter zu Gesicht bekommen. Das war im Ernstbrunner Wildpark, als sie direkt vor meinem Pickup über den Weg kroch. Sie war verdammt schnell, riesig und komplett schwarz. Eine sogenannte „Höllenotter“, mindestens einen Meter lang, also wesentlich größer als Wikipedia angibt. Und nun habe ich erfahren, dass solche großen Exemplare besonders im hohen Norden anzutreffen sind. Das bereitet mir Sorgen, wegen der Hunde.

In Dänemark habe ich noch nie eine Schlange gesehen, obwohl ich weiß, dass manche Ferienhäuser geradezu heimgesucht werden, weil manche der nicht ganzjährig bewohnten Bauten perfekt zum Nisten sind. Für mich wäre das ehrlich gesagt schon bei einer völlig ungiftigen Art ein Grund zur Abreise, ähnlich wie ein deutlich erhöhtes Aufkommen von großen Spinnen. Auch eine Form von Natur-Entfremdung, die mir wirklich peinlich ist. Doch die Möglichkeit, dass einer meiner Hunde durch einen Schlangenbiss ums Leben kommen könnte, ist ein handfestes Albtraumszenario, das ich bisher überhaupt nicht auf dem Schirm hatte. Ich weiß, es kommt sehr selten vor. Aber mir wäre es trotzdem lieber gewesen, wenn ich nie von den vielen, großen Hugormen erfahren hätte.

Danke für das Foto eines wahren Kreuzottern-Paradieses, Sandro Kradolfer