Househunting
Grimoire

Househunting ist auch Ghosthunting

Die Suche nach einem neuen Zuhause wird auch in den nächsten Wochen das dominante Thema bleiben. Ich weiß, dass das für viele zu den sterbenslangweiligen Spießerthemen gehört, aber ich finde das Wühlen in Immobilienexposés inzwischen superspannend. Ein paar Highlights, wie den alten, reetgedeckten Gasthof, dessen Treppenhaus aus Grabsteinen gefertigt war, hatte ich ja schon erwähnt. Und jetzt bin ich wieder auf ein Objekt gestoßen, das möglicherweise ungewöhnliche Vibes hat.

Genau genommen geht es in diesem Fall aber nicht um das zum Verkauf stehende Häuschen selbst, sondern um den alten Vierkanthof direkt daneben. Auf dem soll es nämlich spuken. Der zugehörige Garten grenzt direkt an den, der zukünftig meiner sein könnte. Beide Gebäude liegen sehr einsam im Norden von Langeland. Die Abgeschiedenheit zieht mich an, aber wenn auf dem Nachbargrundstück ein Geist umgeht, bereitet mir die Einsamkeit doch ein bisschen Sorge. Es soll sich zwar um einen guten Geist handeln, aber gruseln würde ich mich trotzdem. Ein Geist ist ein Geist ist ein Geist.

Auf dem Hof ist heute ein soziales Non-Profit-Unternehmen ansässig, mit einem charmanten kleinen Café und hauptsächlich ehrenamtlichem Personal. Tagsüber herrscht dort meistens reger Betrieb. Aber einige der dort Arbeitenden sind sich sicher, dass sie regelmäßig die Anwesenheit einer Frau spüren, die im Jahr 1943 auf dem Hof verstorben ist. Gänsehaut, aufgestellte Härchen und ein kalter Luftzug seien die Anzeichen, dass Jensine durch die Gänge wandert.

Jensine und ihr Mann waren selbst kinderlos, boten auf ihrem Hof aber gefallenen Mädchen Zuflucht, die ein uneheliches Kind erwarteten. Die damals gesellschaftlich geächteten jungen Frauen konnten dort unterschlüpfen, bevor ihre Schwangerschaft offensichtlich wurde und dann in Sicherheit gebären. Anschließend vermittelten Jensine und eine befreundete Gräfin die Neugeborenen in passende Familien und sorgten dafür, dass die jungen Frauen auf der Insel eine gute Arbeit fanden. Ich musste an Astrid Lindgren denken, die damals in derselben Situation gewesen war, aber das Glück hatte, ihren Sohn in der einzigen Klinik Skandinaviens, die anonyme Geburten ermöglichte, zur Welt zu bringen. Diese Klinik lag in Kopenhagen – zu weit weg für viele Frauen mit einem ähnlichen Schicksal.

Jensines Mann fiel im zweiten Weltkrieg, und als sie selbst kurz vor Ende des Krieges starb, führte die Gräfin das Lebenswerk des Ehepaars zunächst alleine weiter. Später vermachte sie den Hof aber der Kommune, unter der Auflage, ihn ausschließlich für gemeinnützige Zwecke zu nutzen. Jensine scheint das regelmäßig zu überprüfen. Warum sonst sollte ihre Seele keine Ruhe finden?

Es ist natürlich auch möglich, dass alles ganz anders war. Dass sich an diesem Ort kleine Dramen zugetragen haben. Angesichts der Natur der Sache wäre das kaum auszuschließen. Vielleicht lief längst nicht alles so, wie sich das manche junge Mutter gewünscht hätte.

Außerdem konnte ich nicht herausfinden, unter welchen Umständen Jensine damals starb. Immerhin herrschte Krieg, und viele Leben enden in solchen Zeiten tragisch. Deshalb habe ich Manschetten, in das Nachbarhaus zu ziehen. Ich werde mir in zwei Wochen alles ganz genau anschauen und überlege sogar, mir vorher eines dieser bescheuerten Geräte zuzulegen, die wie verrückt piepen und rauschen, wenn es paranormale Aktivitäten gibt, wie in Ghostbusters. Auf jeden Fall werde ich berichten.

Danke für das Foto, Jan Jakub Nanista

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