der Luchs, ein leiser Jäger
Grimoire

Heldenreisen, die mehr Aufmerksamkeit verdienen

Letzte Woche hat wieder etwas statt gefunden, das ich jedes Mal hochspannend finde: Ein Einsatzteam der Stiftung für Bären reiste quer durch Europa, um ein Tier zu retten. Diesmal war es ein Luchs namens „Hero“, der aus einem Zoo in Litauen abgeholt wurde, um im Schwarzwald ein neues, möglichst artgerechtes Leben zu beginnen. Die Stiftung für Bären bietet nämlich nicht nur Bären ein sicheres Zuhause, sondern auch Wölfen und Luchsen.

Hero war eigentlich für ein Auswilderungsprogramm bestimmt, entpuppte sich dann aber leider als neurologisch gehandicapt, weshalb er einem autarken Leben in freier Wildbahn nicht gewachsen gewesen wäre. Er landete in einem Zoo, der aber nach einem Umbau keinen Platz mehr für ihn hatte. Hero sollte eingeschläfert werden.

Das Team der Stiftung für Bären hatte erst im Juli letzten Jahres eine Wölfin, Gaia, aus dem Zoo in Kaunas abgeholt und war bei der Gelegenheit auch auf Hero aufmerksam geworden. Zum Glück für den Luchs, denn die Stiftung wollte sein Todesurteil nicht einfach so hinnehmen. Und jetzt, nach einigen Verzögerungen durch Corona, konnte nach Gaia auch Hero in den Schwarzwald reisen, wo sich einer der beiden Alternativen Wolf- und Bärenparks der Stiftung befindet.

Natürlich beschränkt sich so eine Rettungsaktion längst nicht auf Anreise, Übernahme und Rückreise, sondern lange davor und danach gibt es unglaublich viel zu tun, und alles ist von ständigem Hoffen und Bangen geprägt. Von der Klärung der finanziellen Mittel über die Organisation, die der Transport eines Wildtieres über mehrere Landesgrenzen hinweg erfordert, bis hin zur Gewährleistung einer möglichst stressarmen Übernahme, Reise und Ankunft. Oft folgt noch eine Quarantäne-Phase, In-Between-Days für Mensch und Tier, bis der gerettete Vierbeiner endlich ganz in seiner neuen Welt ankommen darf. Eine solche Aktion kostet viel Zeit, Bürokratie und Nerven. Von alldem bekommt man als Außenstehender wenig mit. Aber die Reise, die meistens mehrere Tage in Anspruch nimmt, wird über einen Liveticker dokumentiert, den ich wie gesagt immer mit großer Spannung verfolge.

Leider ist dieser Liveticker nicht das, was man von Nachrichtenmedien oder Influencern gewohnt ist. Die Prioritäten eines gemeinnützigen Unternehmens wie der Stiftung für Bären liegen schließlich nicht in Live-Berichterstattung von Rettungsaktionen. Und so gibt es auf der Webseite und auf den Social Media Kanälen voneinander abweichende, teilweise lückenhafte Infos zum Stand der Dinge. Auf Twitter ist tagelang keine Info zu sehen, dass Hero längst heil angekommen ist. Eine Story auf Instagram oder einheitliche Texte zum Durchklicken sucht man vergeblich. Nur auf Facebook, dieser Inkarnation des Bösen, klappt es mit den Updates. Das zu sehen, schmerzt. Denn wie viel mehr Reichweite und Aufmerksamkeit könnte die Stiftung generieren, wenn sie technisch optimierte Gegebenheiten und Kapazitäten hätte, um dieses Storytelling-Gold voll auszuschöpfen? Jedes reguläre Unternehmen würde sich die Finger nach emotional aufgeladenem Content wie diesem lecken.

Ich kenne dieses frustrierende Phänomen von anderen Institutionen und Organisationen aus dem Natur- und Tierschutz und aus der Umweltbildung nur zu gut. Mir sind auch die Gründe vertraut, schließlich habe ich selbst schon in den Schuhen der Entscheider gesteckt. Eine weitere Baustelle ist das letzte, was man braucht. Es ist ein Jammer. Vor allem angesichts der Tatsache, dass dringend in ein gesundes Bewusstsein für unsere Umwelt investiert werden müsste. Bevor es uns endgültig entgleitet.

Danke für das Foto, Zdeněk Macháček (Es ist übrigens nicht Hero, denn leider hat die Stiftung für Bären auch kein Presskit)