
Hanne
Es ist noch noch nicht so lange her, da schrieb ich hier über meine (zu) späten Versuche, Licht in unsere familiären Beziehungen nach Dänemark zu bringen. Und erst vor ein paar Wochen postete ich über den Gendarmenpfad, den ich noch in diesem Jahr bewandern möchte. Aber eines habe ich in der Zwischenzeit noch nicht erwähnt. Im Zuge der Kondolenzpost ist etwas Wunderbares passiert. Ich erhielt einen Brief aus Kopenhagen, mit alten Fotos, die ich noch nie gesehen hatte.
Dieser Brief kam von meiner Tante Hanne, die ich nur vom Namen her kannte. Eigentlich ist sie wohl eher meine Großtante oder Großcousine – ich bin mir nicht sicher, welche die richtige Bezeichnung für unseren Verwandtschaftsgrad ist. Hannes Tante ist die Oma meiner Mutter. Hanne selbst ist inzwischen um die 80. Allerdings ist sie topfit, körperlich wie geistig. Das ist ein Geschenk, denn seit dem Brief mit den Fotos stehen wir in regem Emailkontakt, der für immer neue Überraschungen sorgt. Ende August erhielt ich ein Foto von Hannes Fahrradtour – auf dem Gendarmenpfad. Denn sie war unterwegs zu einer Freundin in Flensburg. Ihr Rad ist übrigens kein E-Bike…

Diese Frau war immer schon sehr aktiv. Und reiselustig. Sie hat als Sprachenlehrerin und Reiseleiterin gearbeitet, für einige Zeitschriften geschrieben und gibt heute noch Vorträge über ihre Reisen, die sie um die ganze Welt führten, unter anderem nach Chile und Tibet. Letztes Jahr wollte sie eigentlich nach China, was wegen Corona ins Wasser fiel. Mein Eindruck ist, dass sie seitdem wie auf heißen Kohlen sitzt. Die Fahrradtour durch Südjütland war natürlich kein ausreichender Ersatz.
Dabei hat sie es auch zuhause schön. Sie besitzt eines dieser bunten, alten Häuser mit großem Garten und den typischen Stockrosen vor der Tür, mitten im Kern Kopenhagens, zwischen Stadtpark und Hafen. Doch unstillbare Unternehmungslust und Entdeckerdrang liegen dieser Familie einfach im Blut. Auch Hannes Bruder war Reiseleiter, und ihre Schwester ist nach Amerika ausgewandert. Ihre Tante war die Schlüsselperson, die als ganz junges Mädchen von Deutschland nach Dänemark ging und damit unsere Verbindung in den Norden begründete.
Ich bin fasziniert von Hanne und der Tatsache, dass es innerhalb unserer Familie diesen Zweig gibt, der so ganz anders ist als der Rest. Und ich freue mich schon darauf, Tante Hanne bald zu treffen. Vielleicht schaffe ich es sogar eines Tages doch noch, das eine oder andere Geheimnis aus der Jugend meiner Mutter zu lüften.
Danke für das Foto der kleinen Meerjungfrau in Kopenhagen, K. Mitch Hodge

