Schreibmaschine im Maxim Gorky Museum, Moskau
Grimoire

Gedanken zur Schreibsaison

Endlich treffen Schreiblust, Inspiration und Zeitkontingent wieder zusammen. Es liegt an der Jahreszeit, dem geliebten Herbst, den langen, gemütlichen Abenden, den kühleren Temperaturen, dem Kerzenschein, dem morgendlichen Nebel und den sanfteren Farben. Nicht umsonst ist der November seit jeher der NaNoWriMo (National Novel Writing Month), und im Oktober hat man zusätzlich noch den Tank voll mit Sonnenenergie. Der letzte Anstoß, ein Projekt endlich zu beginnen, war allerdings technischer Natur.

Weil mein Netbook aktuell mal wieder an seine Grenzen kommt, steht bald ein Geräte-Wechsel an. Deshalb hängt die Wahl einer geeigneten Schreibsoftware auch an so banalen Dingen wie Arbeitsspeicher, Importmöglichkeiten, Kompatibilität, Mobilität und so weiter. Vor ein paar Tagen hätte ich mir im Zuge meiner dadurch bedingten Software-Test-Arien beinahe einen Virus eingefangen, was mich so erschreckt hat, dass ich erstmal wieder alles hingeschmissen habe. Denn wie man weiß, neige ich dazu, von Adrenalin geprägte Momente als Zeichen zu verstehen. Ein beinahe ruiniertes Arbeitsgerät erschien mir wie eine warnende Klatsche des Universums für meine Ambitionen, Zeit mit Schreiben zu vergeuden.

Gestern Morgen fand sich dann allerdings Post von Granthika in meiner Inbox, mit der frohen Nachricht, dass es nun endlich eine Web-Version des fantastischen Schreibprogramms gibt. Ein positives und somit eindeutig ermutigendes Zeichen, dachte ich. Und so verbrachte ich die nächsten Stunden damit, Storyline, Charaktere, Locations, Objekte und Events zu übertragen.

Was mich zum eigentlichen Thema dieses Beitrags bringt: Motivation, und alles was sonst noch damit zu tun hat. Im Grunde bin ich davon überzeugt, dass alles von innen kommt beziehungsweise von innen kommen sollte. Glück, gute Laune, Optimismus, Disziplin, Produktivität und so weiter. Inspiration ist vielleicht ein bisschen diffiziler, aber Motivation sollte idealerweise ohne äußere Anstöße auskommen. Grundsätzlich. Das ist jedenfalls meine persönliche Meinung, die sich auf ein paar küchenpsychologische Erkenntnisse, TED-Talks und so weiter gründet. Aber mir ist sehr wohl aufgefallen, dass das Umfeld beachtlichen Einfluss nehmen kann auf das, was einen bewegt – und was man bewegt. Wo man ist und was man ist ist meiner Erfahrung nach enger miteinander verknüpft, als mir lieb ist.

Natürlich sind manche Menschen leichter zu beeinflussen als andere. Und jeder hat wahrscheinlich Zeiten, in denen er wie Knetmasse, Wachs oder ruhender Hefeteig ist, während die Persönlichkeit in anderen Lebensphasen eher Speckstein gleicht. Menschen, die wie ewiger Marmor sind, gibt es sicherlich auch, aber dieser Typus interessiert mich herzlich wenig. Ich spreche hier nicht von der schlichten Tatsache, dass Orte und Menschen einen prägen. Sondern ich meine das unerwartete Entdecken und Entwickeln von Neigungen, Wünschen, Ideen, Talenten oder Wesenszügen, für die es scheinbar ein ganz bestimmtes Drumherum braucht.

Ich habe nie wieder eine solche Lust zu Schreiben empfunden wie in Wien. Es kommt mir klischeehaft vor, aber so ist es. Als flöße eine mysteriöse Wasserader unter der Stadt, die keineswegs nur die Leitungen der zahlreichen Kaffeehäuser speist. In Ernstbrunn dagegen – witzigerweise in einem völlig wissenschaftlichen Umfeld – haben sich mein Bewusstsein und meine Wahrnehmung grundlegend verändert. Man könnte fast sagen, dass ich dort vom Transhumanisten zum Esoteriker wurde – wobei mich beide Labels gleichermaßen mit Scham erfüllen und zum Glück auch nie wirklich zutrafen, aber die Tendenz passt. Und hier, am Ort meiner Kindheit, schwindet das alles. Hier schrumpfe ich innerlich, wie der oben erwähnte Hefeteig, wenn man ihm die warme Decke nimmt.

Deshalb macht es mich so froh, wenn sich tief drinnen plötzlich wieder etwas regt. Und wie der letzte Mensch nach der Apokalypse bin ich dann emsig bemüht, diesen Funken zu füttern und anzupusten, damit er nur ja nicht erlischt, sondern zu einem schönen Feuer wird, das nicht so leicht wieder ausgeht. Irgendwie ganz schön erbärmlich, wenn ich das einmal von außen betrachte. Aber jetzt ist mir immerhin schon die Jahreszeit wohlgesonnen. Und das Licht am Ende des Tunnels wird auch täglich größer.

Danke für das Foto, Daria Kraplak

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