junger Eichelhäher
Grimoire

Gartenprojekte als Trauerarbeit

Meinem absehbaren Weiterzug zum Trotz mache ich mir gerade den Garten zu eigen. Ursprünglich war das Ziel, ihn kurzfristig etwas pflegeleichter und hundekompatibler zu machen. Aber dann entwickelte es sich zum Projekt „Naturgarten“. Ich wollte einfach mehr Leben da draußen.


„In the spring, at the end of the day, you should smell like dirt.“
– Margaret Atwood


Die Wildkamera führte mir überdeutlich vor Augen, was die ganze Gegend hier prägt: Die ordnende menschliche Hand hat sich alles zurecht gebogen, auf Kosten der Natur. Die Gärten sehen sehen toll aus, alles kleine Privatparks. Prächtig, blühend, die Rasenflächen wenn nicht perfekt, dann doch zumindest lückenlos, dazu geschmackvolle Deko und genug Raum für spielende Kinder und stimmungsvolle Grillabende. Ich finde das auch schön, aber mein naturverliebtes Eremitenherz hat ein anderes Ideal.

Ich mag Moos zwischen den Steinen, genau wie Butterblumen und Gänseblümchen im Rasen. Und wohl wissend, dass wahrscheinlich schon im nächsten Frühjahr jemand mit großem Aufwand alles wieder glattziehen wird, sprenge ich gerade die mit dem Lineal gezogenen Grenzen, die mein Vater so akkurat angelegt hat. Zwischenzeitlich habe ich Visionen von ihm, wutschnaubend auf mich und die Hunde herabblickend. Aber die meiste Zeit rede ich mir ein, dass er, wo immer (und was auch immer) er jetzt ist, nur das sich entfaltende Leben wahrnimmt, positive Schwingungen wenn man so will, und das alles immer noch deutlich sichtbar auf dem von ihm geschaffenen Fundament. Ich huldige ihm damit, aber auf meine Art. Im Haus habe ich es genauso gemacht.

Diese Tätigkeiten, die leichten, stetigen, aber unvermeidlichen Veränderungen, immer mit dem Willen meiner Eltern im Hinterkopf, sind spürbar therapeutisch. Die Trauer springt mich immer noch mehrmals täglich von hinten an. Wenn ein handgeschriebener Einkaufzettel meiner Mutter aus einem Buch rutscht (überall Zettel!). Wenn eine Nachbarin, die mich schon als Kleinkind kannte, klingelt um sich zu verabschieden, weil sie ins Altersheim zieht. Wenn der Notarzt wieder mal ins Viertel gerast kommt. Wenn ich irgendwo WDR 2 höre, oder ein Lied, das meine Mutter und ich halb albern, halb hysterisch mitgesungen haben, als sie auf dem täglichen Weg ins Krankenhaus noch neben mir im Auto saß. Die Trigger sind vielfältig und lauern überall.

Oft denke ich, dass es so langsam mal gut sein müsste, und dass ich am besten ganz schnell aus diesem Haus und diesem Umfeld weg sollte. Doch ich merke inzwischen, dass es für den Trauerprozess förderlich ist, sich so intensiv und vor allem auch physisch mit all dem auseinandersetzen zu müssen zu dürfen. Gartenarbeit ist sowieso Balsam für die Seele, das ist ja nichts Neues. Egal ob man dabei Ordnung schafft oder Ordnung lockert, wie in meinem Fall. Als nächstes wird aus den zig Hühnergöttern in diesem Haus ein Steinhaufen in der Sonne angelegt. Ich möchte hier wieder Eidechsen und Mauswiesel sehen, bevor ich diesen Ort endgültig verlasse. Ein wenig Balance wiederherstellen in diesem kleinen Universum, das zum Schluss so von Schmerz und schwindender Lebenskraft geprägt war.

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