Fuchs
Grimoire

Fuchs, du hast die Ente gestohlen

Da, wo ich im Moment lebe, sind die größten Beutegreifer Fuchs und Mäusebussard. Beide sind keinerlei Gefahr für Spaziergänger, spielende Kinder oder kleine Hunde, und für die Landwirte sind sie nützlich, da sie die Mäusepopulation in Grenzen halten. Man sollte meinen, dass das Zusammenleben leicht bis sorglos ausfällt. Ein Trugschluss, wie ich letzte Woche erfahren habe.

Das Gebiet, in dem ich früh morgens mit den Hunden gehe, gehört zum Revier eines erstaunlich großen Fuchses. Als ich ihn zum ersten Mal sah, traute ich meinen Augen kaum und glaubte sogar an die unrealistische Möglichkeit eines Goldschakals. Das Exemplar hat nicht die klassische, gedrungene Rotfuchsstatur mit eher kurzen Beinen und buschiger Rute. Dieser Fuchs hat lange Beine und muss ungefähr so groß sein wie Gandalf, also deutlich über 50 Zentimeter Schulterhöhe. Das ist ungewöhnlich, aber ich bin mir deshalb so sicher, weil er uns in den letzten Wochen ein paar Mal „begleitet“ hat. Einmal lief er für mindestens fünf Minuten sehr dicht neben uns. Sein Keckern war deutlich zu hören, aber ich konnte ihn in der Dunkelheit nicht erkennen. Schließlich, kurz vor dem beleuchteten Weiler, kreuzte er sehr schnell vor uns den Feldweg, ein dunkler Schatten, eindeutig wesentlich größer als die 48 cm hohe Tonks.

Vor ein paar Tagen habe ich den Jagdaufseher dieses Gebietes angesprochen, weil ich weiß, dass er in der Nähe einen Luderplatz mit Wildkamera eingerichtet hat. Leider ist der Fuchs seit Wochen nicht mehr an diesem Luderplatz vorbei gekommen, wahrscheinlich weil er gerade andere Prioritäten hat, denn es ist Ranzzeit. Aber der Jagdaufseher erzählte mir, dass die Nachbarn, fast alles Landwirte, ihm permanent in den Ohren liegen, dass der Fuchs verschwinden muss. Weil er schon ein paar mal ein Huhn stibitzt hat und einmal sogar eine Laufente.

Ich halte den betreffenden Leuten zugute, dass sie keine Massentierhaltung betreiben, sondern ihren Tieren Freigang ermöglichen. Trotzdem ist es keine besondere Herausforderung, Geflügel fuchssicher unterzubringen. Wie das geht, lernt jeder Laie, der privat ein paar Hühner halten möchte. Trotzdem ist nur einer der betreffenden Bauern dazu übergegangen, seine Hühner nachts in einen Innenstall zu holen. Ein anderer ist sogar so fahrlässig, dass einige seiner Hennen regelmäßig ausbüxen und dann mitten auf der Straße herumspazieren, wo Gandalf womöglich eines unguten Tages eine von ihnen erwischen wird, weil er sie vor mir entdeckt hat.

Anstatt also mit einfachen Mitteln für die Sicherheit ihrer Tiere zu sorgen, fordern diese Leute, dass der Fuchs verschwindet. Ich finde es erschreckend, dass ausgerechnet die Menschen, die eigentlich noch relativ naturnah leben, so wenig Bewusstsein für eine rudimentäre Biodiversität mitbringen. Wenn ich dann an das Management größerer Beutegreifer wie Wolf, Luchs oder Bär denke, wundert mich überhaupt nicht, wie groß die Widerstände – immer noch – sind. Ich kenne und akzeptiere viele Argumente der Landwirte, wenn es zum Beispiel um den Umgang mit dem Wolf geht. Doch langsam entwickele ich Zweifel, ob da nicht manchmal doch einfach nur Bequemlichkeit und mangelnde Flexibilität zugrunde liegt. Dieser Eindruck verstärkt sich, wenn man sich einmal generell anschaut, wie wenig Umdenken im Agrar- und Nutztierhaltungsbereich stattfindet, obwohl es dringend notwendig wäre.

Hoffentlich tut sich da noch was. Ehrlich gesagt mache ich mir ein bisschen Sorgen, dass der große Fuchs, der mir irgendwie ans Herz gewachsen ist, auf unerklärliche Weise verschwinden könnte. Ich habe eine eigene Wildkamera bestellt und weiß auch schon, wo ich sie anbringe.

Danke für das Foto, Jeremy Vessey

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