
Die Igelmast hat begonnen
Inzwischen kann ich dank der Wildkamera sicher sagen, dass mindestens drei Igel allnächtlich die Futterstelle in unserem Garten aufsuchen. Ein großer und zwei kleinere Exemplare sind es, allesamt offensichtlich voller Flöhe, aber ansonsten zum Glück gesund. Jedenfalls gibt es keine Anzeichen für einen Massenbefall mit Lungenwürmern. Die zählen nämlich – neben Autos und Mährobotern – zu den größten Problemen für den bei uns heimischen Braunbrustigel.
Damit die Igel für ihren Winterschlaf genug Kraft tanken und Fettreserven aufbauen können, ist die richtige Ernährung wichtig, und in unserem Viertel dominieren eindeutig die top gepflegten Gärten, die zwar sehr schön sind, aber leider keine guten Bedingungen für Igel bieten – weder hinsichtlich Ernährung (zu viele Schnecken, zu wenig Käfer) noch in Bezug auf geeignete Winterschlafplätze. Deshalb möchte ich die drei Exemplare, die hier regelmäßig vorbei schauen, gezielt mästen und ihnen auch passende Schlafplätze anbieten, in der Hoffnung, sie im Frühjahr wieder zu sehen – wenn ich dann noch hier sein sollte.
Denn auch wenn Blättchen wie die Deutsche Apotheker Zeitung mit reißerischen Titeln wie „Igel sind gefährliche Keimträger!“ das Image dieser Wildtiere beschädigen, ist hoffentlich den meisten bewusst, dass Igel nicht nur niedlich sondern auch sehr nützliche Tiere sind. Die kleinen Stachelträger arbeiten nämlich unermüdlich für eine ausgeglichene Insektenpopulation und können sogar vor dem Überhandnehmen von Mäusen schützen.
Außerdem haben Igel einen hohen Unterhaltungswert, besonders in der Paarungszeit. Alljährlich müssen Polizisten wegen vermeintlich zu lauten Nachbarn oder gar „Perversen“ ausrücken, die unter den Fenstern besorgter Bürger laut schnaufen und grunzen. Bei Twitter findet man unter dem Hashtag #Igelsex eine Menge amüsanter Geschichten, wie etwa die eines erbost abgereisten Übernachtungsgastes, diesen Bericht im Guardian oder das eingefügte Foto eines Polizeiberichts.
Wer Igeln helfen möchte, kann zumindest kleine Bereiche seines Gartens igelfreundlich gestalten. Es bietet sich zum Beispiel an, im Bereich des Komposters, der ja sowieso meistens etwas versteckt liegt, weniger zu mähen und Laub und ungehäckseltes Reisig wenigstens teilweise liegen zu lassen. Absolut tabu ist es, den Mähroboter, wenn er denn unverzichtbar sein sollte, noch bei Anbruch der Dämmerung oder gar nachts laufen zu lassen. Denn der bedeutet jedes Jahr für Millionen Igel einen qualvollen Tod. Fast ebenso gefährlich sind Teiche ohne flache Uferzonen oder Swimmingpools, wenn im Sommer keine leichter erreichbare Wasserstelle verfügbar ist. Igel können zwar schwimmen, aber nicht unendlich lange.
Artgerechtes Igelfutter gibt es inzwischen in jedem Zooladen, allerdings sollte man unbedingt darauf achten, dass kein Obst oder Gemüse enthalten ist, denn leider gibt es auch nicht artgerechtes Igelfutter. Viele wissen, dass man Igeln auch Katzenfutter anbieten kann – sofern das nicht zum Alleinfuttermittel über Wochen wird, ist das tatsächlich eine einfache Lösung. Anders sieht es mit Hundefutter aus, das enthält nicht genug Protein. Und bitte niemals Milch hinstellen! Ansonsten ist es eigentlich nur wichtig, dass man aufhört, Futter bereit zu stellen, sobald die Temperaturen den Winterschlaf der Igel einläuten. Sonst ermutigt man die Tiere, ihr warmes Bettchen doch noch für das ein oder andere leckere Mahl zu verlassen, und das kostet wertvolle Energie.
Professionelle Hilfe brauchen Igel, die (egal zu welcher Jahreszeit) tagsüber unterwegs sind oder – je nach Region – Mitte oder Ende November noch draußen herum laufen und weniger als ein Pfund auf die Waage bringen. Adressen der regionalen Igelhilfe kann man bei Stadt und Gemeinde, beim Tierarzt oder beim NABU erfragen. Der NABU hat übrigens auch eine Anleitung zum Bau eines Igelhauses (PDF) zur Verfügung gestellt. Das ist ein schönes Projekt zur Umsetzung mit Kindern, und man bekommt es auch mit zwei linken Händen hin.
Danke für das Foto, Sierra NiCole Narvaeth

