Die Gänseliesel muss weg

Hinten im Garten unter der Pergola steht eine Betonfigur, die ich immer schon furchtbar fand. Es ist eine Frau, lebensgroß, mit Schürze, Kopftuch und einer Gans auf dem Arm. Ihre Proportionen sind etwas seltsam: die Beine zu kurz, die Arme dafür umso länger, und der Kopf wuchtig mit einem breiten, groben Gesicht.

Die Augen sind irgendwann mal mit Edding nachgemalt worden, weil sie verblasst waren. Und jeder weiß, wie creepy Augen aussehen können, wenn sie dilettantisch gezeichnet sind. Im Fall unserer Gänseliesel erinnern sie ein wenig an die beschädigte Büste von Nofretete. Es sind unterschiedlich große, kajalumrandete Glubschaugen mit kleinen Punkt-Pupillen in einer leblos wirkenden Iris und viel zu viel Weiß drumherum. Der starre Blick der Betonfrau geht ins Leere, und das sieht wirklich nicht ansprechend aus.

Aber das ist es nicht allein. Dass die Liesel weg muss, habe ich spontan entschieden. Seit kurzem schließe ich nämlich abends die Jalousien zum Garten nicht mehr, damit Tonks und Gandalf noch etwas Mäusefernsehen haben. Das bedeutet allerdings auch, dass ich geradewegs in den dunklen Garten gucke, wenn ich mir nachts ein Glas Wasser aus der Küche hole. Das Windlicht, das ich für meine Eltern auf den Tisch unter der Pergola gestellt habe, wirft einen flackernden Schein auf die von Weinranken halb verdeckte Gänseliesel. Das sieht dann so aus, als stünde dort eine echte Person, die das Haus anstarrt. Aufgefallen ist mir das erst letzte Nacht, und obwohl ich wusste, dass es die Liesel ist, verzichte ich zukünftig gerne auf diesen Anblick.

Nun ist eine so große Figur aus Beton sperrig und ziemlich schwer, weshalb ich noch keine Ahnung habe, wie ich sie los werde. Und wahrscheinlich werde ich mir beim Hantieren mit der Sackkarre die Hand oder einen Fuß brechen, wenn ich versuche, das Ungetüm zu bewegen. Ich kann mich nicht mehr erinnern, wie sie damals an ihren Platz gekommen ist, aber zumindest war kein Kran involviert. Es kann also eigentlich nicht allzu kompliziert werden, sie zu entsorgen. Und bis dahin bleibe ich nachts einfach liegen, auch wenn ich durstig bin.

Danke für das Foto, Jeff Sheldon