
Der Mikrokosmos Ærø als Modell für nachhaltiges Leben und Wirtschaften
Noch vor 20 Jahren verließen die Insulaner die einstige Schmuggler- und Seefahrerinsel Ærø, suchten Jobs auf dem Festland, die Häuser verfielen. Bis damit angefangen wurde, die dänische Willkommenskultur zum Heiraten als Marke für die Insel in der Dänischen Südsee zu etablieren. Floristen, Hoteliers, Gastronomen und Veranstalter: Sie alle leben direkt oder indirekt vom Business mit dem schönsten Tag im Leben und achten darauf, dass fast alles vor Ort produziert und arrangiert wird.– NDR Ostseereport | Ærø – Die dänische Hochzeitsinsel
Der aktuelle Ostseereport des NDR (bis 2025 auch in der Mediathek der ARD) handelt nur auf den ersten Blick ausschließlich vom Hochzeitsbusiness, das auf der Insel ein wichtiger Wirtschaftszweig ist und das Schicksal Ærøs entscheidend beeinflusst hat. Die schöne Doku zeigt noch viel mehr davon, wie hier Nischen mit Kreativität, Mut, familiärem und nachbarschaftlichem Zusammenhalt und vor allem Fokus auf Sorgfalt, Nachhaltigkeit, regionale Produktion und Qualität zum Blühen gebracht werden. Das gefällt mir vor allem deshalb so gut, weil heute oft suggeriert wird, dass das ja gar nicht mehr funktionieren könne. Qualität? Nachhaltigkeit? Regionale Produkte? Und dazu vier Kinder und ein blühender Garten voller Viehzeug? Niemals!
Es geht eben doch, zumindest hier (und sicher nicht nur hier), wo gewisse Voraussetzungen, die zum Beispiel im derzeitigen Deutschland nicht mehr denkbar sind, es erlauben, Chancen zu ergreifen und Träume zu verwirklichen. Damit meine ich nicht nur weniger Bürokratie-Wahnsinn, sondern auch Optimismus und den Willen, sich gegenseitig zu unterstützen, anstatt ständig darauf bedacht zu sein, selbst den größten Reibach zu machen. Überhaupt geht es gar nicht um den Reibach, sondern darum, einem Job nachzugehen, der Spaß macht, mit der Familie vereinbar ist, und dabei sogar das Leben anderer ein bisschen schöner macht.
Es gibt natürlich auch hier Misstände. Dinge, die falsch laufen. Menschen, die von Neid und Missgunst zerfressen sind. Landwirte, die Falschinformationen verbreiten und zugleich hohe Ämter in der lokalen Politik bekleiden. Es wird Brennholz geklaut und in einer dunklen Nacht die gesamte Obstwiese des Nachbarn abgeerntet. Sehr junge und auch weniger junge Männer besaufen, bedrohen und verhauen sich, und die sehr jungen stellen Videos davon ins Netz. Aber das sind Einzelfälle, Ausnahmen. Die Mehrheit lässt sich davon nicht beirren und macht weiter ihr Herzens-Ding. Mit Erfolg. Es läuft wie immer auf das Mindset hinaus, mit dem alles steht und fällt. Ich liebe Ærø für das, was hier möglich ist.
