Das Haus des Windes
Grimoire

Das Haus des Windes

Gerade habe ich mal wieder ein Buch ausgelesen, das ich bei weitem nicht so toll fand wie die überwältigende Mehrheit aller anderen Leser. Beinahe hätte ich es gar nicht beendet. Ich habe es in winzigen Häppchen konsumiert, manchmal nur ein oder zwei Seiten am Tag. Vielleicht lag es auch daran, dass ich mich im Moment schwer lange konzentrieren kann, aber bestimmt nicht nur. Ich könnte nicht behaupten, dass es „kein gutes Buch“ ist, im Gegenteil, es ist relevant und vereint Tragik, Witz und zum Teil unglaubliche Weisheit. Nur leider fand ich es ausgesprochen zäh.

„Das Haus des Windes“ von Louise Erdrich handelt von dem dreizehn Jahre alten Joe, der mit seinen Eltern in einem Reservat in North Dakota lebt, als seine Mutter brutal überfallen wird. Der Vorfall stürzt Joes Mutter, die nur knapp überlebt und anschließend lange körperlich und psychisch auf der Kippe steht, in eine tiefe Depression. Die kleine Familie droht daran zu Grunde zu gehen, auch weil das Verbrechen aufgrund unsäglicher legaler Hürden für die Bewohner des Reservats nicht geahndet werden kann. Am Ende wird Joe, gerade auf der Schwelle vom Kind zum Jugendlichem, selbst zum Rächer, was an sich schon tragisch ist, aber die Folgen sind noch tragischer.

Louise Erdrich ist Pulitzer-Preisträgerin für Fiktion und schon lange erfolgreich als Schriftstellerin tätig. Da kann ich wohl kaum ihr Erzähltalent in Frage stellen. Aber die Handlung des Romans hatte für mich etwas von einem Puzzle, das ein abstraktes Bild darstellt. Mühsam. Am Ende nahm die Sache etwas Fahrt auf, aber davor hätte es sich auch um eine willkürliche Aneinanderreihung von Anekdoten handeln können. Es waren tolle Anekdoten dabei, aber andere fand ich so lala und oft einfach nur bedrückend. Auch wenn das Gesamtbild am Schluss gefällig war, hatte ich auf dem Weg dorthin keine große Freude. Möglicherweise ist das so gewollt. Ein Buch mit diesem Thema kann schwerlich fluffige Strandlektüre sein. Aber ich hätte es beinahe nicht beendet, das kann ja auch nicht der Sinn der Sache gewesen sein.

Ich könnte mir vorstellen, dass ein US-Amerikaner das Buch ganz anders liest. Und vielleicht ist auch bei der deutschen Übersetzung irgendetwas auf der Strecke geblieben. Oder nur bei mir persönlich sprang nichts über, weil ich einfach keinen Bezug finden konnte. Stellenweise fühlte ich mich ein wenig an „Stand by me“ erinnert, dessen Hype ich auch nie ganz verstanden habe. Obwohl mich die fantastische Freundschaft halbwüchsiger Jungs, die auch bei „Das Haus des Windes“ eine Hauptrolle spielt, sehr berührt und gut unterhalten hat. Das hat mir an der Geschichte eigentlich am besten gefallen. Neben vereinzelten Einblicken in die Spiritualität amerikanischer Ureinwohner.

Und an einer Stelle, auch erst ziemlich weit hinten im Buch, hatte ich eine Art größeres Aha-Erlebnis. Eines, das ich eigentlich – rein theoretisch – im Religionsunterricht oder spätestens im Konfirmanden-Unterricht hätte haben müssen. Aber dort ging es niemals auch nur ansatzweise in die Nähe einer solchen Erkenntnis. Aufgrund dieser Tatsache empfehle ich dieses Buch, obwohl ich die Lektüre an sich nicht so toll fand.

Gab es eigentlich ein Happy End? Ja, ich finde schon. Aber mit echt bitterem Beigeschmack.