Das Ende der Eiszeit
Was ich hier noch nicht erwähnt habe: Ich verkaufe aushilfsweise Pralinen und Softeis, in vielerlei Hinsicht ein Traumjob für einen Schoko-Junkie wie mich.
Anfangs war die Eismaschine ein Horror für mich, weil es gar nicht so leicht ist, ein schönes Eis zu zapfen, das man kopfüber in heiße Schokolade tauchen kann, ohne dass es aus der Waffel in die Schoko-Soße plumpst oder beim Abtropfen gefährliche Schlagseite bekommt. Doch inzwischen liebe ich die Eismaschine genauso wie es die Kunden tun.
Nächste Woche ist die Eiszeit allerdings vorbei. Die Maschine geht in den Winterschlaf. Für viele Kunden ein Drama, denn das Softeis gehört seit Monaten zu ihrem Shopping-Trip oder Heimweg von der Arbeit dazu. Und sie wissen, dass es bald vorbei sein wird mit ihrem köstlichen Ritual. Deshalb verkaufen wir in dieser Woche, die wettermäßig ziemlich herbstlich ausfällt, noch einmal besonders viel Eis. Und es kommt zu skurrilen Szenen vor unserem Geschäft. Menschen stehen frierend im Regen, in der einen Hand den Schirm, in der anderen ein extra großes Softeis. Kinder hocken mit tropfenden Haaren vor ihren achtlos hingeworfenen Fahrrädern, in der Linken ein „Krokant-Crunch“, in der Rechten ein „Erdbeer-Trio“. Sie alle sehen zugleich verzückt und verzweifelt aus.
Ich weiß nicht genau, ob es wirklich das Eis ist, an dem sie krampfhaft festhalten wollen oder doch eher der Sommer. Aber ich erinnere mich selbst noch sehr gut an das dänische Softeis meiner Kindheit, auf das man endlos lange Monate verzichten musste, weil es damals zuhause nichts Vergleichbares gab. Fast genauso habe ich in Österreich Spaghetti-Eis und Käsekuchen vermisst.
Wissenschaftler haben herausgefunden, dass vor allem Düfte und Gerüche stark mit Erinnerungen verknüpft sind und entsprechend tief in unserem Bewusstsein wirken. Mit Geschmäckern ist es vielleicht nicht ganz so ausgeprägt, aber doch ähnlich. Vor ein paar Tagen las ich einen spannenden Artikel über die Verwendung von Parfüm und Süßigkeiten im Voodoo. Beides wertvoll. Und beides starke Reizauslöser für unser Unterbewusstsein. Wenig überraschend also, dass wir zumindest einen von beiden in fast allen unseren Ritualen finden, egal ob sakral oder profan.