Geburtstagskerzen
Grimoire

Better light a candle than curse the darkness

Heute ist mein Geburtstag, und den habe ich (ähnlich wie Weihnachten) in den letzten Jahren nicht angemessen gefeiert. In diesem Jahr ziehe ich meine „Feiern-auf-Kommando“-Ablehnung erstmals in Zweifel. Die letzten Monate waren zu düster, um Gelegenheiten für Anfälle von Sorglosigkeit einfach so verstreichen zu lassen.

Diesen – vielleicht nur zeitweisen – Sinneswandel befeuert auch das Buch, das ich gerade lese. Angeblich ist es seit Jahren das Lieblingsbuch aller Buchhändler, und das glaube ich gerne. „Was man von hier aus sehen kann“ spielt in einem Dorf im Westerwald. Eine alte Dame träumt dort manchmal von einem Okapi, und kurz nach so einem Traum stirbt immer einer der Dorfbewohner. Entsprechend interessant ist es deshalb, zu beobachten, wie sich die Menschen verhalten, wenn die alte Selma mal wieder von einem Okapi geträumt hat, und jeder damit rechnen muss, vielleicht derjenige zu sein, der nicht mehr lange zu leben hat.

Das Buch handelt weniger von Tod und Unglück, sondern vor allem von Liebe und der Anziehungskraft von Gegensätzen. Es ist witzig und unterhaltsam, aber ich kann noch kein endgültiges Urteil fällen, weil ich es noch nicht ausgelesen habe. Ich könnte auch auf Anhieb nicht sagen, was ich selbst täte, wenn ich nur noch 24 Stunden übrig hätte. In solchen Fragen tun sich meistens große Krater zwischen reiner Theorie und tatsächlichem Handeln auf. Ich finde es spannend, was Menschen auf dem Sterbebett bereuen, und was die meisten Leute machen, wenn sie in einem Flugzeug sitzen, das abzustürzen droht. Metaphorisch gesprochen versuchen viele, noch eine Kerze anzuzünden, und nur wenige pusten eine aus. Komischerweise scheint das im normalen Alltag ganz anders zu sein. Da herrscht viel mehr Destruktivität. Erklären kann ich mir das nicht.