
Autofahren in Schweden
Wenn man mit dem Auto nach Schweden fährt, fängt der Urlaub schon auf der Straße an. Es ist unglaublich entspannt. Keine Raser und Drängler. Keine „sportlichen“ Fahrer, die hektisch von Spur zu Spur titschen, um plötzlich einen knappen Meter vor einem einzuscheren. Keine Rücksichtslosfalschparker, die andere blockieren, weil sie ihre eigene Lebenszeit für relevanter halten als die ihrer Mitmenschen.
Es ist schön. Und zwar nicht nur weil die Verkehrsdichte fast überall geringer ausfällt als bei uns. Die Schweden haben auch ziemlich rigorose Regeln, Tempolimits (auf den meisten Autobahnen 110 km/h!) und Strafen für Verstöße. Deshalb gibt es in dem schönen, skandinavischen Land auch kaum Verkehrstote. Trotz Schnee, Eis, Dunkelheit und fleißig wildwechselnden Elchen.
Aber ich möchte auf etwas anderes hinaus. Etwas, das ich erst kürzlich erfahren habe. Bis in die 60er Jahre herrschte nämlich Linksverkehr in Schweden. Genauer gesagt, bis zum dritten September 1967 um 4:50 Uhr. Da wurde sämtlicher Verkehr inklusive Fahrrädern angehalten. Damit alle, die unterwegs waren, die Fahrbahnseite wechseln konnten, um dann, ab 5:00 Uhr, rechts statt links weiter zu fahren. In den Städten ein chaotisches Bild. Fotos davon lösen heute noch Erheiterung aus. Aber man hatte sich fast vier Jahre lang auf diesen Moment vorbereitet. Mit speziellen Schulungen, aufwendigen Werbekampagnen, extra komponierten Schlagern und genauestens geplanten Abläufen für eine perfekt getaktete Versetzung von Verkehrsschildern, Haltestellen und Fahrbahnmarkierungen.
Es hat wahnsinnig viel Geld gekostet. Ein Vielfaches von dem, was man hätte ausgeben müssen, wenn die Umstellung schon früher vorgenommen worden wäre. Erste Bemühungen dazu gab es nämlich schon seit den 20er Jahren. Mit Zunahme des Verkehrsaufkommens, vor allem auch seitens Autofahrern aus den Nachbarländern nach Ende des Zweiten Weltkrieges, stiegen die Unfallzahlen stetig an. Dabei spielte es auch eine gewisse Rolle, dass die schwedischen Autos zugunsten des Exports immer schon die Lenker links hatten. Wer einmal mit dem Lenkrad auf der „falschen“ Seite unterwegs war, der weiß, was für Probleme das mit sich bringt, vor allem beim Überholen.
Aber die Bevölkerung wehrte sich bis zuletzt gegen die Umstellung. Der Mensch ist eben ein Gewohnheitstier und lässt sich spürbare Veränderungen ungern von oben aufzwingen. Die schwedische Regierung drückte den Rechtsverkehr schließlich trotzdem durch, auch auf Druck des Europarates hin. Und siehe da, die Unfallzahlen begannen zu sinken.
Heute fährt es sich in Schweden angenehmer als irgendwo sonst. Die Veränderung ist damals sicher niemandem leicht gefallen, aber am Ende wahrscheinlich leichter als gedacht. Ich möchte mich hiermit keinesfalls für eine Regierung, die das Volk zu seinem (vielleicht fragwürdigem) Glück zwingt, aussprechen. Aber ich finde diesen Fall interessant. Vor allem mit Blick auf unsere „demokratischen Herausforderungen“ heute, sowohl für Politiker als auch Bürger.
Danke für das Foto, Geran de Klerk

