
Analog planen
Die eindrücklichste aller Lehren aus diesem verrückten Jahr ist sicher nicht nur bei mir die alte, aber oft verdrängte Weisheit: Life happens while you’re busy making other plans. Beinahe möchte ich life durch death oder sickness ersetzen, aber eine andere Weisheit lehrt auch, dass das alles eins ist. Wie auch immer. 2020 hat viele Pläne über den Haufen geworfen, manchmal sogar Existenzen und Freundschaften zerstört.
Ironischerweise war dies auch ein Jahr, in dem die Digitalisierung kräftig vorangetrieben wurde, während ich gerade in der Hochphase meiner Abwendung von allem Digitalen bin. Naja, nicht von allem (so viele ebooks wie in diesem Jahr habe ich noch nie gelesen), und grundsätzlich finde ich die Digitalisierung wichtig. Aber in vielen Bereichen meines Lebens, explizit auch im beruflichen, betreibe ich nach wie vor das, was immer mal wieder als „digital detox“ gehyped wird. Meine Social Media Aktivitäten, meine Online-Zeit und die Zahl meiner vielen digitalen Hilfsmittelchen sind auf ein Minimum geschrumpft, und das werde ich auch so beibehalten. Weil ich merke, dass mein Hirn seitdem viel besser funktioniert.
Am auffallendsten ist das in meiner Selbst-Organisation. Ich werde zwar niemals mehr meine Gesundheits-App oder das Wunderwerk der Produktivität, Todoist, aufgeben, aber mein digitaler Kalender enthält nur noch das Allernötigste, während mein analoger Taschenkalender mit deutlich mehr Aufwand und Sorgfalt gepflegt wird. Ich habe mir für 2021 wieder einen besonders schönen (von paperblanks) gegönnt und außerdem erstmals noch eine weitere Investition getätigt: Ich habe einen Savor Life Planner für 90 Tage bestellt. Es gibt deutlich günstigere und auch schneller verfügbare 90-Tage-Planer, aber so viele meiner Bekannten schwören auf den Organizer von Savor Life, dass ich es einfach selbst ausprobieren wollte.
Kalender, die den überschaubaren Zeitraum von drei Monaten statt eines ganzen Jahres abdecken und zusätzlich viel Raum für Motivation, Rituale und ein klassisches „Journal“ bieten, sind ideal, wenn man vor lauter Stress gerne mal sich selbst oder persönliche Zielsetzungen vergisst. Und Stress meint hier nicht nur die Überbelastung durch zu viele Tasks in zu vielen verschiedenen Bereichen, sondern auch den Druck, der aus anderweitiger (gefühlter) Überforderung entsteht.
Am liebsten würde ich jedem aus meinem Umfeld zu Weihnachten so einen Planer schenken. Aber die meisten schwören eben doch auf irgendeine App, die persönliche Präferenzen besser bedient, praktischer, günstiger, bequemer und sicherer ist und sich außerdem vollautomatisch mit allem anderen synchronisiert. Kann ich verstehen. Ging mir ja lange genauso. Wenn sich irgendwas auch in 2020 nicht geändert hat, dann ist es das universelle Gesetz, dass sich alles in Wellen bewegt. Individuelle Vorlieben, Moden, Trends, Ideale. Alles kommt und geht und kommt und geht. Ganz egal, was man plant.
Danke für das Foto, Matt Briney

