Stories are medicine
Grimoire

Alte Geschichten

Mir war nach einem richtig faulen Wochenende, und so habe ich den Großteil des Samstages damit verbracht, endlich doch noch „Die Ringe der Macht“ anzusehen. Ich fand die Trailer damals nicht besonders überzeugend, und als die Serie heraus kam, waren die Kritiken ja auch eher durchwachsen. Aber ein paar Galadriel-Halbrand-Supercuts versprachen leichte Kost fürs Herz, und es riecht überall nach Frühling.

Da meine Erwartungen nicht besonders hoch waren, bin ich eigentlich recht positiv überrascht worden. Vielleicht liegt es auch daran, dass es ewig her ist, dass ich das Silmarillion las. Als Fernsehserie fand ich Die Ringe der Macht jedenfalls gute Unterhaltung. Man sollte wahrscheinlich trotz aller Bezüge einfach ignorieren, dass es sich um ein Prequel zum Hobbit und Herrn der Ringe handelt. Dann ärgert man sich nicht über die Schwächen der Story und der Umsetzung. Mich hatte schon bei Peter Jacksons Hobbit gestört, wie platt man Erfolgsszenen und -momente aus Der Herr der Ringe kopierte und von einer Story in die andere verpflanzte. Diese Strategie hat man in Die Ringe der Macht noch gesteigert, und da fühlt man sich als Zuschauer doch ein bisschen verarscht. Manche Bilder und Storylines lassen sich nicht verlustfrei wiederholen. Solche Versuche, etwas, das einmal super funktioniert hat, als vermeintlich sichere Nummer auf Sparflamme wieder aufzulegen, erinnert an peinliche Werbung und schlechten Sex.

Doch wie gesagt, mich hat die erste Staffel insgesamt gut unterhalten. Es war kurzweilig und nett anzusehen. Und es war unverkennbar eine Tolkien-Geschichte, wenn auch entfernt. Ich neige nicht dazu, eine Story bis ins kleinste Detail auseinander zu nehmen und kaputt zu analysieren, wenn sie mir grundsätzlich gefallen hat. Ich mochte die Message, und ich mochte die Multikulti-Besetzung. Und ich frage mich, ob ich die Einzige bin, die Prinz Durin sehr an Herrn Gemeinecke erinnert hat. Diese Tatsache hat mich die ganze Zeit so amüsiert, dass mein Fazit möglicherweise positiver ausfällt als verdient.

Außerdem muss ich hinzufügen, dass ich heute Vormittag – zum zweiten Mal – den ersten Teil von Denis Villeneuves Dune angesehen habe. In der Relation dazu ist „Die Ringe der Macht“ wirklich nicht mehr als eine hübsche, kleine Fernsehserie. Villeneuve hat einer epischen Story nicht nur fantastische Bilder, einen großartigen Soundtrack und Starbesetzung gegeben, sondern auch sein Herzblut. Dune ist Kunst, und mich hat der erste Teil auch beim zweiten Ansehen begeistert. Natürlich kann man das nicht mit einer Amazon-Serie vergleichen, schon allein wegen des Budgets. Aber es ist allzu offensichtlich, dass es bei Die Ringe der Macht nur um ein weiteres Auspressen der Tolkien-Erfolgsstoffe ging. Villeneuve dagegen hat sich einen Lebenstraum erfüllt und das Lieblingsbuch seiner Jugend verfilmt.

Ich bin guter Dinge, dass diese Unterschiede auch in Zeiten von ChatGPT & Co. erkennbar bleiben.


Bücher anno dazumal