
Alles Ruinen
Das Thema „Dach über dem Kopf“ pressiert so langsam, und ich bin zunehmend beschämt angesichts meiner früheren Naivität, was einen Hauskauf angeht. Wenn man nicht Krösus ist, scheint selbst die Anschaffung einer sehr einfachen, kleinen Immobilie in einer bezahlbaren Gegend solch ein Glücksspiel zu sein, dass ich im Augenblick überlege, das Projekt Eigenheim ganz aufzugeben.
Da ich ja nun schon seit einigen Monaten Ausschau halte, hatte ich auch ein paar Behausungen in der engeren Auswahl. Einige hatte ich ja auch erwähnt. Ich habe sie alle aus diversen Gründen wieder verworfen. Anfangs war ich noch nicht mit dem nötigen Ernst und Grundwissen bei der Sache. Aber in der letzten Zeit bin ich ausgesprochen fokussiert und weiß, worauf ich achten muss. Und ich bin willens, umgehend Nägel mit Köpfen zu machen, wenn alles passt.
Zuletzt hatte ich zwei Favoriten. Nummer 1 war aufgrund einer großartigen Lage ganz vorn, denn die unmittelbare Nähe zu Wald und Wasser hat für mich oberste Priorität. Nummer 2 war ein Haus mit etwas schlechterer Adresse, das dafür aber innen und außen genau meinen Geschmack trifft. Es gehört einer Kunsttherapeutin und Schamanin, was erklärt, warum mich vor allem der Garten magisch anzieht.
Nun hatte ich letzten Mittwoch eine Besichtigung in Nummer 1, und da waren sie auf einmal: die Zweifel. Ich bekomme immer nagende Zweifel, wenn es ernst wird. Deshalb kann ich nicht sicher sagen, ob die Mängel, die ich vom Gutachten her durchaus kannte, mit eigenen Augen tatsächlich so viel besorgniserregender aussahen. Fest steht aber: Mein Favorit wackelte plötzlich. Könnte dieses Haus in den nächsten Jahren über meinem Kopf zerbröseln oder in Flammen aufgehen? Werden mich die anstehenden Reparaturen in den Ruin treiben?
Ich stürzte mich mit fliegenden Fahnen auf Haus Nummer 2, das Haus, das soviel schöner ist, und las auch dazu das Gutachten und den „Gesundheitsbericht“ noch einmal gründlich durch. Vor allem um zu sehen, ob die dortigen Mängelbeschreibungen auf einmal ebenfalls Alarmsirenen bei mir auslösten. Bei beiden Häusern gibt es einige rot („großes Problem“) und gelb („wahrscheinlich bald großes Problem“) gekennzeichnete Bemerkungen des Sachverständigen. Und tatsächlich erschien mir auch das wunderschöne Haus der Schamanin plötzlich wie eine abbruchreife Ruine.
Jetzt habe ich grundsätzlich drei Optionen:
- Kneifen und bis zum Lottogewinn weiter zur Miete leben
(mit zwei großen Hunden langfristig sowohl wirtschaftlich als auch praktisch suboptimal) - Auf das Projekt „Holzhütte in Schweden“ umswitchen
(minimiert zwar das Risiko, bringt aber dafür aber ganz andere Probleme mit sich, die alle mit „sehr weit vom Schuss“ zu tun haben) - Die Komfortzone verlassen und ganz im Sinne von „den Mutigen gehört die Welt“ nicht allzu weit in die Zukunft schauen, zumal die ja im Moment sowieso auf ganz wackeligen Füßen steht
(allerdings führt „die Komfortzone verlassen“ entgegen der landläufigen Menung meiner Erfahrung nach viel seltener zu „where the magic happens“ als zu „where the drama happens“)
Ich fürchte, da hilft nur einen Schritt zurück zu treten und das ganze Bild noch einmal mit etwas Abstand zu betrachten. Und den Lottoschein nicht vergessen.
(Auf das alte Foto der „Geistervilla“ nahe des Wolf Science Centers bin ich am Wochenende beim Aufräumen meines Google Drives gestoßen. Diese Ruine dürfte inzwischen längst in neuem Glanz erstrahlen. So viel Zeit ist schon vergangen.)

