a dip a day keeps the doctor away
Grimoire

A dip a day keeps the doctor away

Vor ein paar Tagen habe ich bei der Morgenrunde mit den Hunden das erste Mal in diesem Winter richtig gefroren. Dabei war es noch gar nicht so kalt, nur knapp unter Null. Ich musste an meine Wohnung in Wien denken, die eine echte Bruchbade war, ohne Heizung, mit Dusche in der Küche und Klo im Treppenhaus. Ich weiß nicht mehr, in welchem Jahr es war, aber einmal war die Wasserleitung der Toilette für fast zwei Wochen eingefroren. Solche Zustände waren mir bis dahin völlig unbekannt, und damals habe ich zum ersten Mal wirklich begriffen, wie verweichlicht ich war. Es hört sich vielleicht komisch an, aber ich habe diese Lektion genossen. Gut möglich, dass ich damals auch begonnen habe, den Winter zu lieben.

Ungefähr zeitgleich mit dieser Erinnerung kam eine zweite hoch, die mit einer merkwürdigen Faszination fürs Frieren zu tun hatte. Als ich auf Instagram nachschauen wollte, ob in Nyborg schon Schnee liegt, entdeckte ich den Account einer Frau, die ein typisch dänisches Ritual pflegt: Das allmorgendliche Bad in der Ostsee, ganz nach dem Motto „a dip a day keeps the doctor away“.

Viele Dänen, die am Meer leben, schwören darauf, und ich glaube, in ganz Skandinavien und auch in Russland ist es sehr populär. Als ich noch ein Kind war, waren die Sommer in Nyborg noch deutlich kühler als heute. Und ich war fassungslos, als ich zum ersten Mal Zeuge wurde, wie frühmorgens Menschen in Bademänteln über den Steg des Strandbades spazierten, um sich dann völlig nackt in das kalte Wasser zu stürzen, in das ich selbst an sonnigen Nachmittagen höchstens die Füße einzutauchen wagte. Als meine Mutter mir erzählte, dass diese Leute das jeden Tag taten, sogar im tiefsten Winter, wollte ich es nicht glauben.

Aber der Benefit dieses Rituals war offensichtlich: Die Daily Dipper strotzten vor Gesundheit. Sie strahlten vor Energie und Leben. Es waren, so schien es mir damals, vor allem ältere Menschen, jedenfalls älter als meine Mutter. Das waren keine jugendlichen Sportlerkörper, die da plantschten, doch ihre Vitalität war so auffallend, dass ich total beeindruckt und auch ein bisschen neidisch war. Neidisch auf ihren Mut, ihre Disziplin und Abhärtung, die mir völlig abging. Ich wusste damals schon, dass ich es diesen Menschen niemals würde nachtun können, selbst wenn ich irgendwann auch mal am Meer leben würde.

Diese Frau auf Instagram schreibt, dass sie trotz aller Überwindung mittlerweile süchtig ist nach dem kalten Salzbad, weil in diesen Momenten alles von ihr abfällt. Stress und Sorgen werden von der intensiven Wahrnehmung des eigenen Körpers vertrieben, und das klingt logisch. Vielleicht sollte man doch mal versuchen, Wechselduschen zu probieren? Ab morgen dann… 😉

Danke für das Foto, Craventure Media

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